Entscheidungsstichwort (Thema)

Soldatenversorgung. irrtümliche Annahme einer Schädigungsfolge. sachliche Verknüpfung. medizinische Behandlung. mittelbare Schädigungsfolge

 

Orientierungssatz

Allein die irrtümliche Annahme, eine Schädigungsfolge zu behandeln bzw behandeln zu lassen, reicht für eine wesentliche sachliche Verknüpfung zwischen dem Wehrdienstunfall und dem zu den geltend gemachten Gesundheitsstörungen (hier: Schmerzsyndrom der HWS bei erheblichen muskulären Dysbalancen, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke) führenden ärztlichen Eingriff (hier: Operation eines spastischen Schiefhalses) in einem Versorgungskrankenhaus nicht aus.

 

Normenkette

SVG § 81 Abs. 1, § 80 S. 1; BVG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

SG Detmold (Urteil vom 09.12.1999; Aktenzeichen S 16 (8) V 338/95)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines spastischen Schiefhalses sowie der durch die Operation des Schiefhalses entstandenen Gesundheitsstörungen als weitere Schädigungsfolgen und die Gewährung höherer Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X).

Der ... 1942 geborene Kläger war vom 02.07.1962 bis 31.12.1963 als Wehrpflichtiger Soldat der Bundeswehr. Am 05.08.1963 wurde er auf einer Dienstfahrt bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 21.02.1966 als Schädigungsfolgen eine Verschiebung des vierten Halswirbelkörpers (HWK) nach vorn nach Subluxation mit geringfügiger Deformierung der betroffenen Wirbel und eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule (HWS) bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 v.H. an. Mit einem Neufeststellungsantrag vom 06.03.1972 machte der Kläger eine fortschreitende Versteifung der HWS geltend. Der vom Beklagten beauftragte Chirurg Dr. W konnte in seinem Gutachten vom 21.06.1972 keine Veränderung objektivieren. Der Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 19.07.1972 den Antrag des Klägers ab.

Am 09.10.1972 hatte der Kläger einen Arbeitsunfall (Wegeunfall), bei dem er einen Schlüsselbeinbruch links, einen Wadenbeinbruch links, einen Bruch der linken zwölften Rippe, eine Distorsion im rechten Sprunggelenk und zahlreiche Schürfwunden und Blutergüsse erlitt. Die nach Jahren geltend gemachte Anerkennung eines spastischen Schiefhalses als Arbeitsunfallfolge ist inzwischen von der Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft abgelehnt worden. Im anschließenden Klage- und Berufungsverfahren hatte der Kläger ebenfalls keinen Erfolg (Urteile SG Detmold vom 24.10.1990 --S 8 U 136/88 -- und LSG NRW vom 23.06.1992 -- L 5 U 172/90 --).

Am 22.01.1974 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt B, die Kosten einer im Versorgungskrankenhaus Bad P vorgesehenen stationären Behandlung des spastischen Schiefhalses zu übernehmen. Das Versorgungsamt erteilte am 28.01.1974 eine entsprechende Kostenzusage nach § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 BVG und verlängerte diese am 13.05.1974 bis zum 31.05.1974. Der Kläger wurde am 29.03.1974, 26.04.1974 und 14.05.1974 wegen des spastischen Schiefhalses operiert.

Am 26.03.1974 stellte der Kläger während der stationären Behandlung im Versorgungskrankenhaus Bad P beim Beklagten einen Verschlimmerungsantrag. Der Versorgungsamt B holte eine Auskunft des leitenden Arztes der Neurochirurgischen Abteilung des Versorgungskrankenhauses Bad P, Dr. F, ein versorgungsärztliches Gutachten des Chirurgen Dr. W und eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F ein und lehnte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, die Schädigungsfolgen hätten sich nicht verschlimmert. Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren wurde von dem Nervenarzt Dr. M ein weiteres Gutachten erstattet. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.1976 zurück. Im anschließenden Klageverfahren hatte der Kläger keinen Erfolg. Nach Einholung eines neurologischen Gutachtens bei Privatdozent Dr. M wies das Sozialgericht Detmold ( S 7 V 126/76 ) mit Urteil vom 08.07.1977 die Klage ab. Nachdem im Berufungsverfahren die Sachverständigen Prof. Dr. K und Prof. Dr. S in zwei weiteren neurologischen Gutachten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Wehrdienstbeschädigung von 1963 und dem spastischen Schiefhals ebenfalls verneint hatten, nahm der Kläger am 30.10.1980 die Berufung zurück.

Mit einem Antrag vom 26.08.1983 machte der Kläger erneut eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen geltend. Das Versorgungsamt B lehnte den Antrag nach Einholung eines weiteren neurologischen Gutachtens von Prof. Dr. M ab (Bescheid vom 23.07.1985, Widerspruchsbescheid vom 28.10.1988). Im anschließenden Klageverfahren (S 7(19) V 74/88 ) ließ das Sozialgericht ein Gutachten durch den Orthopäden Dr. O erstatten. Dieser Sachverständige verneinte zwar aus medizinischer Sicht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem spastischen Schiefhals. Das Sozialgericht gab der Klage jedoch mit de...

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