Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Kostenerstattungsanspruchs des Krankenhauses als sog. Nothelfer gegenüber dem Sozialhilfeträger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eilfall endet mit der Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall bzw. dem Zeitpunkt, zu dem der Nothelfer in der Lage ist, seine Obliegenheit, den Sozialhilfeträger zu unterrichten, zu erfüllen.

2. Der Tag der Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. der Obliegenheitsverletzung durch den Nothelfer ist nicht dem Zeitraum des § 25 SGB XII zuzurechnen,  sondern dem Zeitraum des Entstehens eines möglichen Anspruchs des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger.

 

Orientierungssatz

1. Der Erstattungsanspruch des sog. Nothelfers in Gestalt des Krankenhausträgers setzt nach § 25 SGB 12 voraus, dass ein beim Nothilfeempfänger bestehender unabwendbarer Bedarf unmittelbar durch einen Dritten gedeckt wird. Für den Sozialhilfeempfänger muss zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme eine unaufschiebbare Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden haben, welche der Sozialhilfeträger als Hilfe bei Krankheit sofort decken musste.

2. Der Anspruch des Nothelfers besteht nur, solange der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger deshalb nicht entsteht.

3. Dem Nothelfer steht eine Kostenerstattung gegenüber dem Sozialhilfeträger nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall i. S. des § 25 SGB 12 vorlag. Der Tag, an dem der Eilfall endet, wird von dem Nothilfeanspruch nicht erfasst.

4. Bestand für den Patienten kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung, so steht der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB 12 dem Kostenerstattungsanspruch des Krankenhausträgers nicht entgegen.

5. Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich der Kostenerstattungsanspruch nach den Vorschriften des SGB 5. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach einer Fallpauschale, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.03.2018; Aktenzeichen B 8 SO 63/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06.02.2015 abgeändert. Die weitergehende Klage auf Erstattung von 10.221,79 EUR wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 1/10.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Streitig ist im Berufungsverfahren nach teilweiser Klagerücknahme und einem angenommenen Teilanerkenntnis nur noch ein Betrag von 10.221,79 EUR.

Die Klägerin betreibt als Anstalt des öffentlichen Rechts das Universitätsklinikum.

Der am 00.00.1979 geborene polnische Staatsbürger N K (im Folgenden: Hilfebedürftiger oder Patient) wurde am Samstag, den 22.10.2011, um 7:22 Uhr mit schweren Brandverletzungen, einem Inhalationstrauma sowie einer Alkoholintoxikation notfallmäßig in der Klinik für Intensivmedizin der Klägerin stationär aufgenommen. Wegen einer im weiteren Behandlungsverlauf erlittenen Pneumonie und Sepsis dauerte die stationäre Behandlung in der Klinik für Intensivmedizin bis 07.11.2011 an. An diesem Tag erfolgte eine Verlegung des Hilfebedürftigen in die Klinik für plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, wo die stationäre Behandlung bis zur Entlassung am 10.11.2011 fortdauerte. Nach Angaben des Hilfebedürftigen gegenüber dem Sozialdienst der Klägerin im weiteren Verlauf der stationären Behandlung verfügte dieser über keinen festen Wohnsitz und war mittellos. Auch gab er an, weder eine Meldeadresse noch eine Krankenversicherung zu besitzen und nicht über ein festes Einkommen zu verfügen.

Am 25.10.2011, einem Dienstag, erfolgte eine Mitteilung der Klägerin gegenüber der Beklagten über die stationäre Aufnahme des Hilfebedürftigen, verbunden mit einem Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten, die nach Behandlungsende auf 97.107,20 EUR beziffert wurden (Endrechnung vom 16.11.2011).

Nachdem zwischenzeitliche Ermittlungen der Klägerin bei der polnischen gesetzlichen Krankenversicherung betreffend einen Krankenversicherungsschutz des Hilfebedürftigen ergebnislos verlaufen waren, nahm sie am 02.11.2011 einen Antrag auf Sozialhilfe auf und übersandte diesen der Beklagten.

Nach Entlassung aus der stationären Behandlung (10.11.2011) hielt sich der Hilfebedürftige vorübergehend, bis 05.12.2011, im D, einer von der Caritas B getragenen Sozialeinrichtung, auf. Vom 07.12.2011 bis 13.12.2011 verbüßte er sodann eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA B. Von dort wurde er am 13.12.2011 in die JVA L und am 19.12.2011 weiter in die JVA T verlegt. Am 03.04.2012 wurde er aus der JVA T nach Polen entlassen.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 lehnte die Beklagte die beantragte Übernahme der Behandlungskosten ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Mittellosigkeit des Hilfebedürftigen nicht nachgewiesen sei.

Die Kl...

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