Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Entstehung des Erstattungsanspruchs. Versorgungsverwaltung. Berufsgenossenschaft. Heilbehandlung
Orientierungssatz
1. Bei Sachleistungen ist der Leistungsanspruch des Berechtigten bereits mit der realen Bewirkung der Leistung erfüllt, sein Anspruch wird von der Abrechnung zwischen Leistungserbringer und Versicherungsträger nicht berührt.(vgl BSG vom 25.4.1989 - 4/11a RK 4/87 = SozR 1300 § 111 Nr 6).
2. Zur entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 107ff SGB 10 im Rahmen des § 19 Abs 1 BVG.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ein Erstattungsanspruch wegen verspäteter Anmeldung ausgeschlossen ist.
Die 1973 geborene R P (im folgenden: Geschädigte) wurde am 23.05.1993 auf dem Heimweg von einer Aushilfstätigkeit in einer Discothek vorsätzlich verletzt. Ein Täter schlug ihr seinen Motorradhelm ins Gesicht, sie erlitt dabei eine Commotio cerebri, eine Nasenbeinfraktur und eine Prellung der rechten Gesichtshälfte. Sie wurde deshalb vom 23.05. bis 28.05.1993 stationär behandelt, die Kosten beliefen sich auf 2.024,34 DM.
Am 04.08.1993 stellte die Geschädigte einen Antrag auf Gewährung von Versorgung nach § 1 OEG. Zugleich meldete die Krankenkasse beim Kläger einen Erstattungsanspruch wegen der erbrachten Krankenbehandlung an. Mit Bescheid vom 21.11.1994 erkannte das Versorgungsamt gegenüber der Geschädigten an, daß die oben genannten Gesundheitsstörungen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG hervorgerufen worden seien und ein Heilbehandlungsanspruch für die Zeit vom 23.05.1993 bis zur - inzwischen erfolgten - Abheilung der Gesundheitsstörungen bestehe. Nach einem Hinweis des Landesversorgungsamtes sandte das Versorgungsamt die Akten an die Beklagte und bat in dem Begleitschreiben vom 04.07.1995 um Prüfung, ob ein Arbeitsunfall anzunehmen sei. Der Krankenkasse der Geschädigten wurden am 29.08.1995 die aufgewandten Heilbehandlungskosten erstattet. Nach Mitteilung der Beklagten vom 22.01.1996, daß das Vorliegen eines Arbeitsunfalles anerkannt werde, stellte der Kläger mit Bescheid vom 06.02.1996 gegenüber der Geschädigten das Ruhen des Heilbehandlungsanspruchs für die Folgen der Gewalttat vom 23.05.1993 gemäß § 63 BVG fest. Mit Schreiben vom 02.04.1996 forderte er von der Beklagten die Erstattung der Heilbehandlungskosten. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 11.04.1996 ab, da der Anspruch nach § 111 SGB X bereits ausgeschlossen sei.
Das klagende Land hat zur Begründung der Klage vorgetragen, der Erstattungsanspruch richte sich nach § 103 SGB X, denn der Heilbehandlungsanspruch der Geschädigten sei nachträglich nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BVG entfallen. Bei einer rückwirkenden Leistungsfeststellung entstehe der Erstattungsanspruch erst mit dem Bewilligungsbescheid des erstattungspflichtigen Leistungsträgers, so daß hier die Jahresfrist des § 111 SGB X gewahrt sei. Demgegenüber hat die Beklagte gemeint, die Anerkennung als Arbeitsunfall habe nur deklaratorische Bedeutung gehabt, die Geschädigte habe stationäre Behandlung bereits ab dem Unfalltag beanspruchen können. Der Erstattungsanspruch sei daher bereits mit der Erbringung der Leistung entstanden.
Mit Urteil vom 01.10.1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar richte sich der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X, jedoch sei die Leistungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der streitigen Aufwendungen nicht nachträglich entfallen, da wegen der verspäteten Anmeldung des Unfalles der Leistungsanspruch der Geschädigten gemäß § 1546 RVO a. F. beruht habe. Mit Beschluß vom 28.11.1997 hat das Sozialgericht der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers abgeholfen und die Berufung gegen sein Urteil zugelassen.
Im Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Auffassung fest, daß sich der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X richte und § 1546 RVO a. F. im Verhältnis zwischen den Beteiligten als Sozialleistungsträger nicht anwendbar sei. Selbst wenn man davon ausgehe, daß sich der Erstattungsanspruch aus § 104 SGB X ergebe, sei er nicht ausgeschlossen, da er innerhalb eines Jahres nach der Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung im August 1995 gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.10.1997 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - 2.024,34 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, der Erstattungsanspruch der Beklagten, der sich auf § 104 SGB X stütze, sei ausgeschlossen, denn "erbracht" habe die Sozialleistung der Kläger bereits mit dem Bescheid vom 24.11.1994, mit dem der Anspruch der Geschädigten auf Heilbehandlung anerkannt worden sei. Unerheblich sei der Zeitpunkt, zu dem der Krankenkasse die Behandlungskosten erstattet worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Klägers verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.