Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Rückererstattung zu Unrecht erstatteter Kosten von Sozialhilfeleistungen für aus dem Ausland übergetretene Hilfebedürftige. keine Kostenerstattungspflicht gem § 108 BSHG. Übergangsregelung des § 147 BSHG. Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Kostenanerkenntnis. Vergleichsvertrag gem § 54 SGB 10. deklaratorisches Schuldanerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anwendung der Übergangsvorschrift des § 147 BSHG (= § 115 SGB XII) setzt neben einem Einsetzen der Sozialhilfeleistungen vor dem 01.01.1994 zusätzlich voraus, dass die nach § 108 BSHG i.d.F. bis 3112.1993 zur Erstattung verlangte Sozialhilfe pro rata temporis vor dem 01.01.1994 geleistet worden ist. Sozialhilfe, die seit dem 01.01.1994 aufgewandt wurde, ist i.S.d. § 147 BSHG nicht vor dem 01 Januar 1994 "entstanden".
2. Zur Auslegung des § 108 BSHG.
3. Aus der bloßen Formblatt-Erklärung eines Hilfeträgers auf Aufforderung eines anderen Hilfeträgers, ein Erstattungsanspruch nach § 108 BSHG werde "anerkannt", folgt kein Anspruch des auffordernden Hilfeträgers, wenn die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 108 BSHG doch nicht erfüllt waren.
Orientierungssatz
1. Eine Verpflichtung zur Kostenerstattung ergibt sich nicht aus § 108 Abs 1 S 3 BSHG in der ab 1.1.1994 geltenden Fassung (nF) bzw § 108 Abs 1 S 3 SGB 12, wenn ein Hilfebedürftiger im Geltungsbereich des BSHG geboren ist.
2. Eine Kostenerstattungspflicht ergibt sich auch nicht aus § 108 BSHG aF iVm § 147 BSHG in der ab 1.1.1994 geltenden Fassung. "Entstanden" ist eine Kostenerstattungspflicht nicht bereits dann, wenn laufende Hilfe zwar aufgenommen wurde, die pro rata temporis betroffene Einzelhilfeleistung jedoch bis zum gesetzlichen Stichtag (31.12.1993) noch gar nicht erbracht worden war (vgl SG Mainz vom 17.8.2009 - S 14 SO 96/08 und S 14 SO 97/08 und VGH München vom 8.7.2004 - 12 B 00.1392 = FEVS 56, 158).
3. Ansprüche nach §§ 102ff SGB 10 entstehen - mit Ausnahme desjenigen nach § 103 SGB 10 - erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Zuwendungen, also nur dann, wenn vom erstattungsberechtigten Sozialleistungsträger Kosten für einen Hilfeempfänger aufgewendet werden.
4. Ist für eine Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen zu Gunsten des Hilfebedürftigen - hier in den Jahren 2002 und 2003 - die Vorschrift des § 108 Abs 1 S 1 BSHG aF iVm § 147 BSHG nicht als Anspruchsgrundlage heranziehbar und sind andere Anspruchsgrundlagen von vornherein nicht ersichtlich, so sind die erfolgten Erstattungen gem § 112 SGB 10 zu Unrecht erfolgt.
5. Aus der Abgabe eines Kostenanerkenntnisses gem § 108 BSHG des örtlichen gegenüber dem überörtlichen Sozialhilfeträger folgt keine rechtliche Verpflichtung zur Erstattung der für den Hilfebedürftigen geleisteten Sozialhilfe (vgl LSG Essen vom 23.4.2007 - L 20 SO 39/06).
6. Eine analoge Anwendung des § 54 SGB 10 kommt nicht in Betracht. Die Möglichkeit des Vergleichsvertrages nach § 54 SGB 10 besteht nur für Verträge iS von § 53 Abs 1 S 2 SGB 10 und damit für sog subordinationsrechtliche Verträge bei Verwaltungsaktbefugnis der Behörde. Zwischen gleichgeordneten Sozialhilfeträgern besteht kein Über- und Unterordnungsverhältnis (vgl BSG vom 28.3.1984 - 9a RV 50/82 = SozR 1300 § 102 Nr 1 und vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R = SozR 3-2600 § 93 Nr 12).
7. Ein nur deklaratorisches Schuldanerkenntnis erzeugt keinen neuen, selbständigen Anspruch.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.08.2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 91.191,07 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Rückerstattung i.H.v. 91.191,07 EUR nach § 112 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), welche der Kläger zunächst dem Beklagten nach § 108 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Sozialhilfeaufwendungen für die Hilfeempfängerin, Frau C, erstattet hatte.
Die Hilfeempfängerin wurde 1941 im Zuständigkeitsbereich des Klägers geboren. Nach langjährigem Aufenthalt in den USA reiste sie am 00.05.1987 wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Stadt E gewährte ihr als örtlicher Sozialhilfeträger seit dem 00.05.1987 Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Krankenhilfe nach dem BSHG. Der Beklagte trug als überörtlicher Sozialhilfeträger Hilfekosten für die geistig und seelisch behinderte Hilfeempfängerin im Zusammenhang mit Behandlungen in stationären Einrichtungen in den Zeiträumen 23. bis 27.05.1987, 02. und 03.12.1987, 12.09. bis 24.10.1988 sowie 25.12.1988 bis 06.01.1989, ferner fortlaufend ab dem 15.03.1989.
Für die seit dem 15.03.1989 entstandenen Kosten der Unterbringung der Hilfeempfängerin erkannte der Kläger auf Aufforderung des Beklagten mit Formularschreiben "Erstattung der Kosten gem. § 108 BSHG" vom 15.06.1989 seine "Verpflichtung zur Kostenerstattung nach § 108 BSHG" an. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen. In ...