nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerklassenwechsel. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nichtbegünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch das Arbeitsamt ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.
Normenkette
SGB III § 330 Abs. 1, § 137; SGB X § 44
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 07.08.2003; Aktenzeichen S 32 AL 4/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.08.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanpsruchs verpflichtet ist, dem Kläger rückwirkend über den 30.04.1999 hinaus weiterhin Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) statt nach Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV) zu gewähren.
Der am 00.00.1945 geborene Kläger war seit 1973 versicherungspflichtig beschäftigt. Seine letzte Beschäftigung verlor er zum 31.03.1999. Zu Beginn des Jahres 1999 war auf der Steuerkarte des Klägers die Steuerklasse III eingetragen. Am 25.03.1999 meldete sich der Kläger arbeitslos. Ihm wurde das Merkblatt 1 für Arbeitslose in der im Jahre 1990 gültigen Fassung ausgehändigt. Eine Beratung über die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels hat nicht stattgefunden. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 29.04.1999 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.1999 in Höhe von 94,39 DM täglich = 660,73 DM wöchentlich zuerkannt (Leistungsgruppe C mit Kindermerkmal).
Am 27.04.1999 suchte der Kläger das Finanzamt auf und ließ seine Steuerklasse in IV ändern. Mit dieser so geänderten Steuerkarte suchte der Kläger unmittelbar danach das Arbeitsamt in L auf. Er legte die geänderte Steuerkarte vor. Die Sachbearbeiterin nahm eine Kopie zur Akte und veranlasste eine Änderung der Arbeitslosengeldbewilligung. Eine Beratung hat nach Angaben des Klägers auch hierbei nicht stattgefunden. Mit Bescheid vom 30.04.1999 änderte die Beklagte die Arbeitslosengeldbewilligung ab 01.05.1999 der Höhe nach ab. Der Kläger erhielt nunmehr die Leistungen nach Leistungsgruppe A in Höhe von 78,56 DM täglich = 549,92 DM, also 15,83 DM weniger pro Tag.
Diese Leistung bezog er bis zum 01.12.1999. Danach bezog er vom 02.12.1999 bis 16.02.2000 Krankengeld, vom 17.02. bis 20.02.2000 erneut Arbeitslosengeld und vom 21.02.2000 bis 31.07.2000 Unterhaltsgeld. Seit dem 01.08.2000 hat er wieder ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gefunden. Sämtliche Bewilligungsbescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 10.07.2000 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 30.04.1999. Er hat vorgetragen, dass er den Steuerklassenwechsel nicht vorgenommen hätte, bzw. sofort rückgängig gemacht hätte, wenn er ordnungsgemäß über die Folgen eines Steuerklassenwechsels beraten worden wäre. Ihm sei durch die unterbliebene Beratung ein finanzieller Schaden entstanden, den die Beklagte im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu korrigieren habe. Ihm sei über den 30.04.1999 hinaus Arbeitslosengeld in der Höhe zu gewähren, als wenn er den Steuerklassenwechsel nicht vorgenommen hätte, also weiterhin nach Leistungsgruppe C.
Mit Bescheid vom 18.08.2000, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 06.12.2000, lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 30.04.1999 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der genannte Bescheid nicht zurückgenommen werden könne, da dieser Bescheid nicht rechtswidrig sei. Der Kläger habe zum 01.05.1999 seine Steuerklasse gewechselt. Es habe daher ab dem 01.05.1999 Arbeitslosengeld nur nach der Leistungsgruppe A zugestanden. Eine Hinweis- und Beratungspflicht in dem vom Kläger dargelegten Ausmaß könne nicht anerkannt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 05.01.2001 Klage beim Sozialgericht in Düsseldorf erhoben. Mit der Klage begehrt er weiterhin die Leistung von Arbeitslosengeld rückwirkend ab dem 01.05.1999 unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III). Der Kläger hat darauf hingewiesen, er habe den Steuerklassenwechsel in der irrigen Auffassung herbeigeführt, dass er dadurch eine finanzielle Besserstellung erfahren werde. Dies habe er auch so der Beklagten mitgeteilt. Für die Beklagte sei auf diesem Hintergrund erkennbar gewesen, dass er sich in einem Irrtum befunden habe. Die Beklagte hätte dem Kläger einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen. Er wäre dies...