Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachentrichtung von freiwilligen Mindestbeiträgen. Recht zur freiwilligen Weiterversicherung. Altersrente. Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten

 

Orientierungssatz

1. Im Ausland lebende Verfolgte, die eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto ausgeübt haben, haben bei Antragstellung bis 30.6.2003 auch dann ab 1.7.1997 Anspruch auf Berücksichtigung persönlicher Entgeltpunkte aus den Ghetto-Beitragszeiten bei Zahlung ihrer Rente, wenn sie bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 Rentenbezieher waren (vgl BSG vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R = BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1).

2. Die Rentenantragstellung wirkt gemäß § 3 ZRBG im Hinblick auf alle Auswirkungen auf den 18. 6.1997 zurück. Dies gilt auch für die Regelungen des § 198 S 1 SGB 6.

3. Der Personenkreis, der die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt, hat ausgehend von der Rentenantragstellung am 18.6.1997 gem §§ 197 Abs 2, 198 S 1 SGB 6 jedenfalls durch Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen in dem erforderlichen Umfang ab Januar 1997 die Möglichkeit, die allgemeine Wartezeit zeitnah zum 18.6.1997 zu erfüllen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2006 geändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 16.10.2003 und vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2005 verurteilt, den Kläger zur Nachentrichtung von freiwilligen Mindestbeiträgen zur deutschen Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.1997 bis 30.09.1998 zuzulassen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen und die mit dieser erhobenen Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu 2/3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, unter welchen Zugangsbedingungen dem Kläger Rente zu gewähren ist, insbesondere ab wann er das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 7 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) hat.

Der am 00.00.1913 in L (Litauen) geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und Verfolgter des Nationalsozialismus. Er besitzt seit 1990 die israelische Staatsangehörigkeit.

Am 12.01.1999 beantragte der Kläger erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten für das Ghetto Kaunas. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.1999 ab. Sie habe den Rentenantrag nach Aktenlage prüfen müssen, da der Kläger keinerlei Unterlagen eingereicht habe. Danach seien keine auf die Wartezeit anrechenbaren Zeiten vorhanden. Hiergegen legte der Kläger keine Rechtsmittel ein.

Am 30.10.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente unter Anerkennung von Ghettobeitragszeiten und Ersatzzeiten. Ferner beantragte er die freiwillige Weiterversicherung nach § 7 SGB VI. Im Fragebogen zu Ersatzzeiten gab der Kläger an, der NS-Verfolgung von 1941 bis 1944 ausgesetzt gewesen zu sein. Im Anschluss hieran sei er weder arbeitsunfähig noch arbeitslos gewesen. Ferner gab er im förmlichen Rentenantrag an, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis zugehörig zu sein. Er schilderte des Weiteren sein Verfolgungsschicksal, insbesondere welche Arbeiten er in Kaunas in welchen Zeiträumen und unter welchen Bedingungen verrichtete. Zur Stützung seines Vorbringens brachte er zwei Zeugenaussagen bei.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16.10.2003 ohne Rechtsbehelfsbelehrung mit, die für die Gewährung einer Altersrente erforderliche Wartezeit von 60 Monaten mit anrechenbaren Versicherungszeiten sei nicht erfüllt, da im Falle des Klägers nur 39 Kalendermonate auf die Wartezeit anrechenbar seien. Der Kläger sei aber berechtigt, freiwillige Beiträge nach § 7 SGB VI ab dem 01.01.2002 zu zahlen. Es werde um Mitteilung gebeten, ob davon Gebrauch gemacht werde. Ferner übermittelte die Beklagte mit Schreiben vom 24.11.2003 ohne Rechtsbehelfsbelehrung dem Kläger auf seine Nachfrage hin einen Versicherungsverlauf vom 21.11.2003 ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Dieser trägt die Überschrift "Fiktiv". Darin sind Pflichtbeitragszeiten für die Zeit vom 01.02.1943 bis 30.09.1944 (= 20 Monate) angegeben, sowie die Zeiten der NS-Verfolgung vom 01.07.1941 bis 31.01.1943 (= 19 Monate). Daraufhin teilte der Kläger mit, dass zur Erfüllung der Wartezeit freiwillige Mindestbeiträge im Umfang von 21 Kalendermonaten entrichtet werden sollen, und bat die Beklagte um Erstellung einer entsprechenden Beitragsrechnung. Mit Schreiben vom 28.04.2004 ohne Rechtsbehelfsbelehrung teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Recht zur freiwilligen Beitragsentrichtung bestehe erst ab Juni 2002, da dieses Recht allein auf der Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ...

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