Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistungsrecht. Kostenerstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern nach länderübergreifender Umverteilung von Asylbewerbern. Bezifferung des zuvor grundsätzlich geltend gemachten Erstattungsanspruchs erst nach Aufhebung des § 10b Abs 3 AsylbLG zum 1.7.2005. Beginn und Ablauf der Ausschlussfrist
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 10b Abs 3 AsylbLG besteht auch in Fällen einer länderübergreifenden Umverteilung von Asylbewerbern nach § 51 AsylVfG (vgl BVerwG vom 2.10.2003 - 5 C 4/03 = BVerwGE 119, 96).
2. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 10b Abs 3 AsylbLG entsteht kraft Gesetzes, ohne dass es eines entsprechenden Antrags oder sonstiger Mitwirkungshandlungen des anspruchsberechtigten Leistungsträgers bedarf. Der Anspruch entsteht mit Eintritt des anspruchsbegründenden Umstandes der Leistungserbringung nach AsylbLG im Geltungszeitraum des § 10b Abs 3 AsylbLG bis zum 30.6.2005. Insofern steht der Entstehung des Anspruchs nicht entgegen, dass er nach grundsätzlicher Geltendmachung erst nach dem 1.7.2005 der Höhe nach beziffert worden ist. Einen Untergang des entstandenen Anspruchs mangels Abwicklung bis zum Zeitpunkt der Rechtsänderung sieht das Gesetz nicht vor.
3. S 2 des nach § 9 Abs 3 AsylbLG anwendbaren § 111 SGB 10 findet auf hier vorliegende Erstattungsansprüche gem § 10b Abs 3 AsylbLG keine Anwendung.
4. Zum Untergang von Erstattungsansprüchen nach § 10b Abs 3 AsylbLG durch Ablauf der Ausschlussfrist des § 111 S 1 SGB 10.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.11.2009 geändert. Das beklagte Land wird verurteilt, der Klägerin die im Leistungsfall W S seit dem 01.12.2003 nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz erbrachten Leistungen zu erstatten. Hinsichtlich der bis zum 30.11.2003 an W S erbrachten Leistungen wird die Klage abgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 17.933,60 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch nach der bis zum 30.06.2005 geltenden Vorschrift des § 10b Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Klägerin ist in ihrem Zuständigkeitsbereich Leistungsträgerin nach dem AsylbLG. Als solche erbrachte sie auch solchen Personen Leistungen, die zuvor in Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Landes untergebracht waren und durch landesinterne Verteilungen (Zuweisungen) in kommunale Einrichtungen überführt worden waren. Für diesen Personenkreis erhielt sie vom beklagten Land Pauschalen nach § 4 Flüchtlingsaufnahmegesetz Nordrhein-Westfalen (FlüAG NRW) in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung.
Mit Urteil vom 02.10.2003 - 5 C 4/03 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), dass Kommunen eine Kostenerstattung nach § 10b Abs. 3 AsylbLG auch für diejenigen Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG verlangen können, die durch länderübergreifende Umverteilung nach § 51 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) verteilt worden sind.
Mit Erlass seines Innenministeriums vom 18.10.2004 (16-39.15.01-37-58/04) bestimmte das beklagte Land, dass dieses Urteil des BVerwG nicht nur für länderübergreifende oder landesinterne Umverteilungen aus kommunalen in andere kommunale Einrichtungen gelte, sondern auch für landesinterne Zuweisungen von Asylsuchenden aus Landesaufnahmeeinrichtungen in kommunale Einrichtungen; auch in diesen Fällen handele es sich um ein "Verziehen" i.S.v. § 10b Abs. 3 AsylbLG. Der Erstattungsanspruch bestehe in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem sich aus § 10b Abs. 3 AsylbLG ergebenen Betrag und den nach § 4 FlüAG NRW gezahlten Pauschalen. Die Kommunen hätten ihre Ansprüche in jedem Einzelfall unter strikter Berücksichtigung der Tatbestandsmerkmale des § 10b Abs. 3 AsylbLG sowie der gezahlten Pauschalen nach dem FlüAG NRW konkret nachzuweisen. Zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt in der Vergangenheit entstandene Kostenerstattungsansprüche nach § 10b Abs. 3 AsylbLG rückwirkend geltend gemacht werden könnten, werde im Einvernehmen mit dem Finanzministerium darauf hingewiesen, dass die Kommunen die ihnen in der Vergangenheit entstandenen Kostenerstattungsansprüche nach § 10b Abs. 3 AsylbLG gegenüber dem Land geltend machen könnten, sofern die Ausschlussfrist nach § 9 Abs. 3 AsylbLG, § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch nicht abgelaufen sei. Die Ausschlussfrist beginne nach § 111 Satz 1 SGBX grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages zu laufen, für den die Leistung erbracht worden sei. § 111 Satz 2 SGB X schränke Satz 1 dahingehend ein, dass der Fristablauf frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs beginne. Das sei der Zeitpunkt, in dem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10b Abs. 3 AsylbLG erfüllt seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erlass Bezug genommen.
Mit weiterem Erlass vom 18.11.2004 (16-39.15.01-37-58/04) an die Bezirksregierunge...