Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Verwertungspflicht eines selbstgenutzten Hausgrundstücks bei beantragten Leistungen der Grundsicherung - darlehensweise Bewilligung von Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Ein selbstbewohntes Hausgrundstück ist nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB 2 nur bei dessen angemessener Größe vor einer Verwertung geschützt. Bei einer Belegung mit zwei Personen beträgt die angemessene Wohnfläche 90 qm.

2. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 1. Alt. SGB 6 ist das Hausgrundstück nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn dessen Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Das ist dann der Fall, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert oder Substanzwert steht.

3. Ein Verwertungsausschluss wegen des Vorliegens einer besonderen Härte nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 2. Alt. SGB 2 setzt voraus, dass dem Betroffenen ein eindeutig größeres Opfer abverlangt wird als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG Urteil vom 30. 8. 2017, B 14 AS 30/16 R).

4. Ein Anspruch auf darlehensweise Leistungen der Grundsicherung besteht nach § 24 Abs. 5 S. 1 SGB 2 nur, wenn Hilfebedürftigkeit trotz zu berücksichtigenden und verwertbaren bedarfsdeckenden Vermögens deshalb besteht, weil dessen sofortige Verwertung nicht möglich ist, und nur insoweit besteht, als die sofortige Verwertung ausscheidet.

5. Werden Verwertungsbemühungen für die Fiktion der Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 4 SGB 2 nicht unternommen, so kommen darlehensweise Leistungen für die Überbrückung der Wartezeit bis zur Verwertung regelmäßig nicht in Betracht (BSG Urteil vom 24. 5. 2017, B 14 AS 16/16 R).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.10.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.04.2017 - 30.09.2017 als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen.

Der am 00.00.1960 geborene Kläger bezog bis Ende Oktober 2013 Leistungen nach dem SGB II. Von seiner im Oktober 2013 verstorbenen Mutter erbte er lastenfrei als Alleinerbe das 659 m² große Grundstück "R 00" in S, bebaut mit einem Reihenendhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 167,42 m², sowie Miteigentumsanteile am Garagenhof (44 m²) und einem Fußweg (8 m²).

Der Kläger zog nach dem Tod der Mutter in das Haus und bewohnte dieses bis zum Jahr 2018. Das Erdgeschoss und die erste Etage mit insgesamt 136,65 m² bewohnte der Kläger selbst und alleine. Das Dachgeschoss mit einer Wohnfläche von 30,77 m² war zunächst bis zum 31.07.2014 für monatlich 200 Euro vermietet, eine ebenfalls zum Grundstück gehörende und im Eigentum des Klägers stehende Garage war bis zum 31.12.2015 für monatlich 25 Euro vermietet. Eine weitere Vermietung erfolgte nicht. Während des gesamten streitbefangenen Zeitraums waren zugunsten des Beklagten mehrere Sicherungen in Höhe von insgesamt 14.211,18 Euro im Grundbuch eingetragen.

Im Mai 2014 beantragte der Kläger Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Er füllte im Rahmen seiner Antragstellung am 04.07.2014 einen Informationsbogen zur Wertaussage über das Hausgrundstück aus, in dem er selbst das Baujahr mit 1972, die Ausstattung mit drei (entspricht der Wertung "gehoben" gemäß Anlage zum Informationsbogen, Erläuterung zum Standard bis 2014) und die Optik mit sieben (entspricht der Wertung "gut" entsprechend dem oben genannten Informationsbogen) angab. Er wies darauf hin, dass die Fenster und die Balkontür erneuert worden seien, im Keller jedoch Feuchtigkeitsschäden bestünden und sowohl Balkon als auch die Terrassenmauer sanierungsbedürftig seien. In der Auskunft gab der Kläger selbst die Wohnfläche mit 178,33 m² an.

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis M und in der Stadt D erstellte am 08.08.2014 eine überschlägige Wertauskunft. Diese Wertermittlung beruhte u.a. auf den vom Kläger mitgeteilten Angaben. Aus dem Bericht geht hervor, dass diese Angaben im Rahmen eines Ortstermins am 07.08.2014 auf Plausibilität geprüft werden sollten. Es sei Zugang gewährt worden, jedoch habe die Gutachterin aufgrund des Verhaltens des Klägers im Verlauf des Termins die Innenbesichtigung abgebrochen. Nicht plausible und/oder fehlende Angaben seien auf der Basis der bis dahin möglichen Feststellungen sowie nach äußerem Eindruck eingeschätzt und ergänzend angepasst worden. Aus der Auskunft geht hervor, dass ein überschlägiger Verkehrswert von gerundet 160.000 Euro festgestellt wurde. Nach den Angaben des Klägers in einem Verhandlungstermin vor dem Landessozialgericht NRW (LSG NRW) vom 22.02.2018 in den Verfahren L 6 AS 1411/17 u.a. war im Jahr 2008 der Versicherungswert des Hauses in einem Versicherungsgutachten auf 180.000 bis 190.000 Euro festgestellt worden.

Nachdem der Beklagte dem Kläger...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?