Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Minderung der Anspruchsdauer. fehlende Arbeitsbereitschaft. wichtiger Grund. Interessenabwägung. fehlendes Arbeitsangebot. Anspruchsverlängerung. älterer Arbeitnehmer
Orientierungssatz
1. Der Sinn der Regelung des § 128 Abs 1 Nr 7 SGB 3 besteht darin, den Arbeitslosen daran zu hindern, sich punktuell aus dem Leistungsbezug abzumelden und sich hierdurch Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur sowie dem bei Nichtwahrnehmung eines Arbeitsangebots drohenden Risiko des Eintritts einer Sperrzeit zu entziehen.
2. Gibt der Arbeitslose hingegen ohne erkennbare Manipulationsabsicht den Status als Arbeitsloser auf, so bleibt für die Anwendung des § 128 Abs 1 Nr 7 SGB 3 kein Raum.
3. Die Frage, was unter einem wichtigen Grund iS von § 128 Abs 1 Nr 7 SGB 3 zu verstehen ist, ist unter Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft und den feststellbaren Individualinteressen zu lösen. Räumt die Agentur ein, dass gerade am Tag der Abmeldung des Arbeitslosen kein Arbeitsangebot vorgelegen hat, noch ist wahrscheinlich, dass eine Vermittlung des Arbeitslosen gerade an diesem Tag hätte stattfinden können, und liegt in der Abmeldung die Wahrung der Möglichkeit, die Verlängerung der Anspruchsdauer für ältere Arbeitslose gem § 434r SGB 3 in Anspruch nehmen zu können, so ist ein wichtiger Grund für das Verhalten des Arbeitslosen zu bejahen, mit der Folge, dass eine Minderung der Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs nicht eintritt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.04.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld auf ihren Antrag vom 14.01.2008. Die am 00.00.1957 geborene Klägerin schöpfte den mit Bescheid vom 19.12.2006 bestandskräftig bewilligten Anspruch auf Arbeitslosengeld für 360 Tage (Bemessungsentgelt 49,00 EUR täglich, Lohnsteuerklasse I, Leistungssatz 23,17 EUR täglich) durch Inanspruchnahme vom 19.12.2006 bis einschließlich 16.12.2007 bis auf einen Restanspruch von einem Tag aus. Mit am 17.12.2007 bei der Beklagten eingegangener Mitteilung meldete sich die Klägerin mit Wirkung vom selben Tag als Arbeitslose ab. Am 14.01.2008 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 15.01.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und wies den gegen diese Entscheidung am 17.01.2008 erhobenen Widerspruch durch Bescheid vom 11.02.2008 zurück mit der Begründung, die Klägerin sei ab dem 17.12.2007 ohne wichtigen Grund für dieses Verhalten nicht arbeitsbereit gewesen. Ihr Anspruch mindere sich daher nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) um die Anzahl der Tage mit fehlender Arbeitsbereitschaft, sodass ab dem 14.01.2008 kein Anspruch mehr bestehe. Mit ihrer hiergegen am 22.02.2008 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, infolge der am 17.12.2007 abgegebenen Gegenerklärung zur vorherigen Arbeitslosmeldung sei ihre Arbeitslosigkeit in der Zwischenzeit bis zur erneuten Arbeitslosmeldung am 14.01.2008 entfallen. Ein Anwendungsfall der Minderung nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB III liege insbesondere nach den Dienstanweisungen der Beklagten nicht vor.
Mit Urteil vom 01.04.2010 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 14.01.2008 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 14.01.2008 seien gegeben gewesen, insbesondere sei der Restanspruch der Klägerin nicht nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB III gemindert worden, da die Klägerin für ihr Verhalten einen wichtigen Grund gehabt habe. Dieser liege in der Wahrung der Möglichkeit, die Verlängerung der Anspruchsdauer für ältere Arbeitslose nach § 434 r SGB III in Anspruch zu nehmen. Gegen das am 15.04.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.05.2010 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe sich, ohne tatsächlich nicht mehr arbeitslos zu sein, durch ihre Erklärung ab dem 17.12.2007 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten entzogen, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Das angefochtene Urteil verkenne das Ziel der Minderung nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB III, den Versicherten zur Mitwirkung an der Beendigung der Arbeitslosigkeit anzuhalten. Dagegen sei es weder Aufgabe des SGB III noch der Beklagten, Arbeitslosen zu einer möglichst langen Anspruchsdauer zu verhelfen. Auch sei zu erwägen, dass das Verhalten der Klägerin einen nach § 46 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) unwirksamen Verzicht darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.04.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist ...