Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Krankenversicherung. Erstattungsanspruch nach § 14 SGB 9. Notwendigkeit eines weiteren Therapiestuhls für Kindergartenbesuch
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 14 SGB 9 räumt dem zweit angegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB 10 vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte von dem Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB 9 zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl BSG vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 6/09 R mwN).
2. Ist ein weiterer Therapiestuhl notwendig, um im Rahmen eines Kindergartenbesuchs an den Tischen zu sitzen und an den dortigen Aktivitäten teilzunehmen, so ist dieser auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes im Rahmen der Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkassen zu übernehmen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der klagende Sozialhilfeträger verlangt von der beklagten Krankenkasse Kostenerstattung für die Versorgung ihres Versicherten N I (im Folgenden: Versicherter) mit einem Therapiestuhl.
Der am 00.00.2003 geborene Versicherte, der bei der Beklagten familienversichert ist, leidet u.a. an Spina bifida (Spaltwirbel) mit Hydrocephalus. Er beantragte am 14.07.2006 bei der Beklagten die Versorgung mit einer Sitzschale nach Maß und einem Zimmeruntergestell, höhenverstellbar, mit Zubehör, und legte darüber eine entsprechende Verordnung der Dres. T und I, Fachärzte für Kinderheilkunde, E, vom 12.07.2006 sowie einen Kostenvoranschlag der Firma L, Reha und Orthopädietechnik GmbH, E, vom 14.07.2006 über 4.190,55 Euro vor. Die Beklagte leitete den Antrag an die Klägerin mit der Begründung weiter, dass diese zuständig sei (Schreiben vom 18.07.2006). Die Klägerin versorgte den Versicherten nach Einholung weiterer Kostenvoranschläge mit einem Zimmeruntergestell mit Orthesensitzschale, individuelle Maßanfertigung, das von der Firma M, F, zum Preis von 2.853,66 Euro an den Versicherten geliefert wurde. Mit Schreiben vom 06.12.2006 meldete die Klägerin ihren Erstattungsanspruch bei der Beklagten an und bezifferte ihn auf 2.853,66 Euro.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung ab (Schreiben vom 12.07.2007): Sie habe den Versicherten in der Vergangenheit bereits mit einem Aktivrollstuhl versorgt. Der streitgegenständliche Therapiestuhl werde ausschließlich im Kindergarten benötigt. Der Besuch eines Kindergartens zähle aber nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, so dass ein Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit diesem Hilfsmittel gemäß § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht bestehe.
Die Klägerin hat am 11.09.2007 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Beklagte sei zur Erstattung ihrer Aufwendungen verpflichtet, denn der Versicherte habe von der Beklagten die Versorgung mit dem Therapiestuhl verlangen können. Der Versicherte benötige den Therapiestuhl für den Kindergartenbesuch, denn nur so könne er auch außerhalb des Rollstuhls sitzen und an den Gruppenaktivitäten teilnehmen. Aufgrund seiner Erkrankung falle er auf normalen Stühlen zur linken Seite und könne deshalb so nicht an den Mahlzeiten und anderen Aktivitäten, die an den Tischen erfolgten, teilnehmen. Der im elterlichen Haushalt des Versicherten befindliche und von der Beklagten im Jahr 2005 bewilligte Therapiestuhl könne nicht täglich in den Kindergarten transportiert werden. Der Besuch des Kindergartens zähle entgegen der Ansicht der Beklagten zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 2.853,66 Euro zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass ein Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit einem weiteren Therapiestuhl nicht bestanden habe, weil der Besuch eines Kindergartens nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle. Allerdings gehe auch sie davon aus, dass ein Transport des im Haushalt befindlichen Therapiestuhls in den Kindergarten nicht in Betracht komme.
Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 23.04.2009 antragsgemäß verurteilt und die Berufung zugelassen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 04.06.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.07.2009 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Die gesetzliche Krankenversicherung sei - soweit es um ein Hilfsmittel gehe, das lediglich einen mittelbaren Behinderungsausgleich bewirke - zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln nur dann verpflichtet, wenn es um die Befriedigung eines al...