Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Nichtvorliegen von Unbilligkeit. Ermessensausübung
Orientierungssatz
1. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Altersrente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine Unbilligkeit iS der auf der Grundlage des § 13 Abs 2 SGB 2 erlassenen UnbilligkeitsV darstellt. Eine Unbilligkeit iS des § 3 UnbilligkeitsV liegt nur vor, wenn eine abschlagsfreie Rente in längstens 3 Monaten in Anspruch genommen werden kann. Eine generelle Unbilligkeit iS des § 1 UnbilligkeitsV liegt nicht vor, wenn zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung das Renteneinkommen einen Betrag ergeben wird, der keinen Bezug ergänzender Sozialhilfeleistungen notwendig machen wird.
2. Die in der UnbilligkeitsV geregelten Fälle sind abschließend. Eine weitergehende Prüfung anderer Gesichtspunkte auf der Tatbestandsebene ist nicht angezeigt.
3. Zur ausreichenden Ermessensausübung bei der Entscheidung gem §§ 5 Abs 3, 12a SGB 2.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.04.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrags nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am 10.00.1950 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner am 00.00.1950 geborenen Ehefrau in einer Mietwohnung (Nettokaltmiete 350 EUR, kalte Nebenkosten 128 EUR, Heizkosten 53 EUR monatlich, zusammen: 531 EUR). Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über die Heizungsanlage. Der Kläger und seine Ehefrau haben eine Hausrat- und eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen (jährlicher Beitrag 102,34 EUR und 64,93 EUR). Die Beklagte gewährte dem Kläger und seiner Ehefrau zuletzt mit Bescheid vom 16.08.2013 geändert durch Bescheid vom 23.11.2013 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1.059,33 EUR. Hierbei rechnete sie kein Einkommen an.
Ausweislich eines Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland vom 31.05.2011 wird der Kläger ab dem 01.08.2015 eine abschlagsfreie Regelaltersrente iHv 955,81 EUR monatlich erhalten. Seine Ehefrau wird ab dem 01.07.2015 eine Regelaltersrente iHv 457,50 EUR erhalten. Der Kläger kann seit dem 01.01.2013 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erzielen, deren monatlicher Zahlbetrag im Verhältnis zur Regelaltersrente je Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 % gekürzt würde.
Nach Feststellung einer fehlgeschlagenen Integration in den Arbeitsmarkt wurde der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Nachdem der Kläger dies am 14.08.2012 und 10.09.2012 abgelehnt hatte, erließ die Beklagte am 10.09.2012 den angefochtenen Bescheid, mit dem sie den Kläger aufforderte, bis zum 19.11.2012 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen; andernfalls erfolge die stellvertretende Antragstellung durch die Beklagte. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Pflicht zur vorzeitigen Rentenbeantragung seien gegeben. Der Verweis auf den Bezug einer (geminderten) Altersrente sei angemessen und geeignet, die Hilfebedürftigkeit zu vermeiden.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe keinen Vorteil von einer vorzeitigen Rentenantragstellung. Er verliere im Gegenteil monatlich ca. 77 EUR. Die Altersrente würde auf die Rente seiner Frau angerechnet und beide blieben im Leistungsbezug. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück. Es lägen keine Ausnahmetatbestände nach der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten (Unbilligkeitsverordnung) durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente vor. Diese sei abschließend.
Am 06.11.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sei unbillig. Die Unbilligkeitsverordnung sei nicht abschließend. Die Unbilligkeit ergebe sich insbesondere daraus, dass bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente er und seine Frau dauerhaft auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) angewiesen seien. Darüber hinaus rüge er die fehlerhafte bzw. fehlende Ausübung von Ermessen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend trägt sie vor, sie habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein Ermessensfehler sei nur bei einem atypischen Fall gegeben, der hier nicht vorliege.
Am 30.11.2012 hat der Kläger einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Das SG Duisburg hat mit Beschluss vom 28.01.2013 die aufschiebende Wirkung d...