Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Verrechnung. Bestimmtheit des Verrechnungsersuchens. Befugnis zur Erklärung der Verrechnung. keine zeitliche Beschränkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit an ein Verrechnungsersuchen und an die Verrechnungserklärung (Abgrenzung zu BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R = SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

2. Weder aus § 87 Abs 1 S 1 SGB 10 noch dem Interesse des Sozialleistungsempfängers, Leistungen in angemessener Zeit zu erhalten, ergibt sich eine zeitliche Beschränkung der Befugnis des ermächtigten Trägers, eine Verrechnung zu erklären.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 25.07.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Koten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Verrechnung.

Der am 00.00.1947 geborene Kläger war im Jahr 1984 neben einer anderen Person Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "BG - Bau". Die Gesellschaft ließ 1984 durch ihre Arbeitnehmer verschiedene baunahe Arbeiten ausführen. Nachdem Lohnsteuerprüfer festgestellt hatten, dass die gemeldeten Bruttoentgelte nicht den tatsächlich gezahlten Entgelten entsprachen, legte die Beklagte die bei der Lohnsteuerprüfung festgestellten Lohnsumme ihrer Beitragsberechnung zu Grunde. Mit Beitragsbescheid vom 06.03.1987 verlangte sie von dem Kläger als Gesamtschuldner nach §§ 728 Abs. 3, 746 RVO Beiträge zur Unfallversicherung von 52.659 DM für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in vierfacher Höhe des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahrs des Unternehmens.

Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger Klage, die er am 10.04.1992 im Wege eines gerichtlichen Vergleiches vor dem Sozialgericht Aachen für erledigt erklärte (Az.: S 4 U 176/87). Die Klage seines Mitgesellschafters gegen den Beitragsbescheid der Beigeladenen endete auf dieselbe Weise. Vollstreckungsversuche der Beigeladenen beim Kläger, der schon 1990 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, blieben erfolglos. Den Mitgesellschafter des Klägers entließ die Beigeladene zum 01.10.1999 gegen eine Zahlung von 20.000 DM aus der Mithaftung.

Mit Schreiben vom 07.06.1993 erklärte die Beigeladene gegenüber dem (früheren) Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, der Kläger schulde ihr Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von insgesamt 52.684,02 DM. Dieser Anspruch sei nicht verjährt und werde sich durch anfallende Säumniszuschläge noch erhöhen. Die Beigeladene bat darum, den zuständigen Rentenversicherungsträger festzustellen und ermächtigte diesen zur Verrechnung gegen einmalige und laufende Geldleistungen.

Mit Schreiben vom 27.11.2006 übersandte die Beigeladene der Beklagten ihr Schreiben vom 07.06.1993 in Kopie und teilte mit, es bestehe zur Zeit noch eine Forderung in Höhe von 18.211,97 EUR und bat um Verrechnung. Mit Bescheid vom 07.11.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über monatlich 285 EUR ab dem 01.07.2006.

Mit Bescheid vom 02.03.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger statt seiner Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen über 572,30 EUR ab dem 1.3.2007 auf Dauer. Mit Bescheid vom 30.10.2007 wandelte die Beklagte aufgrund eines gerichtlichen Anerkenntnisses die vom 01.07.2006 bis 28.02.2007 gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in eine Rente wegen voller Erwerbsminderung um und errechnete eine Nachzahlung in Höhe von 2.288,30 EUR.

Mit Schreiben vom 06.11.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige, die Hälfte der Rentennachzahlung mit der noch bestehenden Forderung der Beigeladenen zu verrechnen. Der Kläger erhob dagegen "Widerspruch" und verwies auf die Abtretung seiner "gesamten Forderungen" an seine Ehefrau im Jahre 1984.

Mit Schreiben vom 23.11.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dem Ersuchen der Beigeladenen vom 07.06.1993 auf Verrechnung des Anspruchs auf "geschuldete Beträge" in Höhe von 18.211,97 EUR werde entsprochen und verrechnete diese Forderung gegen den hälftigen Nachzahlungsanspruch des Klägers aus dem Bescheid vom 30.10.2007 in Höhe von 1.144,15 EUR. Zur Begründung führte sie aus, die Beigeladene habe sie mit Schreiben vom 07.06.1993 ermächtigt, ihre Geldforderung gegen den Kläger aus einem Beitragsanspruch zu verrechnen. Diese Forderung sei mit dem Zahlungsanspruch gleichwertig, beide Forderungen seien fällig. Die Beklagte übe das ihr zustehende Ermessen dahingehend aus, dass das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer schnellen und einfachen Durchsetzung der festgestellten Forderung höher wiege als das Interesse des Klägers an einer vollständigen Auszahlung der Nachzahlung. Die vom Kläger vorgelegte Erklärung aus dem Jahr 1984 über die Abtretung seiner "sämtlichen Gehalts- und sonstigen Eigentumsansprüche" an seine Ehefrau sei zu unbestimmt.

Der Kläger hat dagegen rechtzeitig Klage erhoben.

Mit Schreiben vom ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge