Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation für EU-Rentenbezieher in Behindertenwerkstatt
Orientierungssatz
1. Ein in einer Werkstatt für Behinderte tätiger Versicherter, der bereits eine Erwerbsunfähigkeitsrente für Behinderte nach § 44 Abs 3 SGB 6 bezieht, hat keinen Anspruch auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Der Begriff der Erwerbsfähigkeit im Rehabilitationsrecht ist nicht mit dem des Rentenversicherungsrechts identisch.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation.
Der 1954 geborene Kläger ist nach seinen Angaben ab 01.11.1968 bis heute als Arbeiter in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Seit September 1995 bekommt er von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im Januar 1997 beantragte der Kläger, ihm medizinische Leistungen zur Rehabilitation zu erbringen.
Durch Bescheid vom 07.02.1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger nicht die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) erfülle. Denn es sei zur Zeit nicht zu erwarten, daß seine Erwerbsfähigkeit durch eine medizinische Rehabilitation wesentlich gebessert bzw. wiederhergestellt werden könne.
Mit dem am 27.02.1997 eingelegten Widerspruch wandte der Kläger ein, daß er als Beschäftigter in einer Werkstatt für Behinderte in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung versichert sei. Da sich sein Behinderungsleiden nach Eintritt in die Versicherung so verschlechtert habe, daß die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert werde, stehe ihm eine Heilbehandlung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Leistungsvermögens zu. Insbesondere sei es zu einer Verschlimmerung der Skoliose und der allergischen Reaktion der oberen Luftwege gekommen.
Durch Bescheid vom 14.08.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend führte sie aus, daß die Rentenversicherungsträger zwar auch für Versicherte, die in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte tätig sind, medizinische Rehabilitationsleistungen erbringen könnten. Voraussetzung dafür sei aber, daß sie bisher noch keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehen oder begründet beantragt hätten. Da der Kläger eine Dauerrente wegen Erwerbsunfähigkeit erhalte, habe sein Antrag abgelehnt werden müssen.
Hiergegen hat der Kläger am 15.09.1997 Klage erhoben. Zur Begründung hat er erneut geltend gemacht, daß ihm die begehrte Rehabilitation zustehe, weil seine verbliebene Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet sei. Er erfülle sowohl die persönlichen als auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 10 und 11 SGB VI und gehöre nicht zu dem durch § 12 SGB VI abschließend ausgeschlossenen Personenkreis der Altersrentner oder vorgezogenen Altersrentner. Anders als bei ihm seien diese Bezieher von Rente bereits endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, wobei allerdings zusätzlich zu berücksichtigen sei, daß selbst die Altersrentner nicht von einer medizinischen Rehabilitation ausgeschlossen würden, die lediglich eine Teilrente von weniger als zwei Drittel der Vollrente beziehen. Auch dadurch zeige sich, daß allein auf die Erwerbsfähigkeit abgestellt werden müsse und nicht auf den Bezug einer Rente. Die von der Beklagten getroffene Regelung, wonach den Beschäftigten in Behindertenwerkstätten keine medizinische Rehabilitation gewährt werde, wenn sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhalten oder begründet beantragt haben, sei verfassungswidrig. Denn sie beinhalte eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung im Vergleich zu den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Beschäftigten, bei denen nur auf den Erhalt der Erwerbsfähigkeit abgestellt werde. Daß Behinderte in einer Behindertenwerkstatt kraft Gesetzes als erwerbsunfähig gelten, beinhalte lediglich eine Schutzvorschrift, damit sie selbst bei einem Bezug von mehr als einem nur geringfügigen Entgelt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bekommen könnten. Keinesfalls habe der Gesetzgeber beabsichtigt, die Behinderten von Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge auszuschließen. Im Bereich der Berufsförderung habe der Gesetzgeber in § 18 SGB VI ausdrücklich eine positive Regelung zugunsten der Behinderten in Behindertenwerkstätten getroffen. Darüber hinaus könne nicht richtig sein, daß er (der Kläger) nach Auffassung der Beklagten die begehrte Leistung nur deswegen nicht erhalten solle, weil er - wie überdies vom Sozialamt gefordert - von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu beantragen. Da er als 44-jähriger noch ein Erwerbsleben von zirka 20 Jahren vor sich habe, habe er auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß er wegen des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente nicht auf Dauer von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen ausgeschlossen sei. Im übrigen stehe der ...