Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers von derjenigen des Krankenversicherungsträgers bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Petö-Therapie bei einem Behinderten
Orientierungssatz
1. Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB 12 umfassen u. a. Leistungen der medizinischen und der sozialen Rehabilitation.
2. Dient eine vom behinderten Hilfebedürftigen in Anspruch genommene Petö-Therapie als motorische Förderung unmittelbar der Behandlung behinderungsbedingter Gesundheitsstörungen, so steht im Vordergrund der Behandlung nicht unmittelbar die Minderung der sozialen Folgen einer Behinderung. Vielmehr sollen deren körperliche Auswirkungen als solche beseitigt oder zumindest gemildert werden.
3. In einem solchen Fall handelt es sich bei der in Anspruch genommenen Petö-Therapie nicht um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB 12, mit der Folge, dass der Sozialhilfeträger zu einer Leistungserbringung nicht verpflichtet ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.07.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine konduktive Förderung nach Petö (fortan: Petö-Therapie).
Der Kläger (geboren 00.00.2011) leidet an einer Zerebralparese; bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B (Berechtigung für eine ständige Begleitung), G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Ab August 2013 besuchte der Kläger zunächst eine integrative Kindertagesstätte. Die beklagte Stadt übernahm hierfür die Kosten einer Integrationskraft (im Betreuungsverhältnis eins zu zwei). Seit August 2017 besucht der Kläger eine Förderschule.
In der Zeit von November 2013 bis August 2017 unterzog sich der Kläger - zusätzlich zu weiteren Behandlungen, darunter physio- und ergotherapeutische sowie logopädische - einer Petö-Therapie bei dem beigeladenen Elternverein. Diese wurde nach einer anfänglichen Eingewöhnung zunächst zwei- bzw. seit dem vierten Lebensjahr des Klägers einmal wöchentlich sowie teilweise als Blocktherapie durchgeführt. Hierfür fielen in der Zeit von Januar 2014 bis Sommer 2017 Kosten i.H.v. insgesamt 14.040,-- Euro an, von denen die Eltern des Klägers 8.064,-- Euro beglichen.
Am 29.11.2013 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten der Petö-Therapie ab 18.11.2013 "in Form von wöchentlichen Einzel-/Gruppenstunden bzw. in Form der sogenannten Blocktherapie".
Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 09.01.2014). Zur Begründung führte sie aus, Zweck- und Zielsetzung der Petö-Therapie seien im Fall des Klägers nahezu ausschließlich auf die motorische Förderung ausgerichtet. Die Förderung der Sozialisation sei Bestandteil der täglichen integrativen Betreuung und Förderung in der Kindertagesstätte, sodass die Notwendigkeit darüber hinausgehender Förderungen nicht angezeigt sei.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter zurück (Widerspruchsbescheid vom 01.04.2014; zugestellt am 03.04.2014) und führte gegenüber dem angefochtenen Bescheid ergänzend aus, die Petö-Therapie sei auch nicht als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geeignet, denn sie setze schwerpunktmäßig an der Behinderung an und versuche, die Behinderungsfolgen zu mindern oder sogar zu beheben, und nicht etwa, die Teilhabe an der Gesellschaft unter Berücksichtigung der behinderungsspezifischen Bedürfnisse zu ermöglichen. Ebenso stelle die für ein seinerzeit zweijähriges Kind durchgeführte Petö-Therapie keine soziale Rehabilitationsmaßnahme in Sinne einer Förderung zur angemessenen Schulbildung dar.
Am 21.02.2018 beantragte der Kläger erneut die Kostenübernahme für eine Petö-Therapie, diesmal als schulbegleitende Förderung. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom 15.03.2018; Widerspruchsbescheid vom 04.07.2018); hiergegen ist eine Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängig.
Gegen den - vorliegend zur Beurteilung stehenden - Bescheid vom 09.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 hat der Kläger am Montag, dem 05.05.2014, Klage zum SG Düsseldorf erhoben.
Er hat vorgetragen, gerade durch die Petö-Therapie würden seine Fähigkeiten zur Selbstständigkeit sowie seine Integration in die Gemeinschaft gefördert. Dies sei für den Besuch des Kindergartens dringend erforderlich und auch Grundvoraussetzung für einen Schulbesuch. Die Petö-Therapie habe auch bereits entsprechende Fortschritte ergeben und verbessere nicht nur seine motorischen Fähigkeiten, sondern auch seine kognitiven Leistungen.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2014 die Kosten für die Petö-Therapieein...