Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem in einer GmbH als Angestellter tätigen Gesellschafter
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein mit 25 % des Gesellschaftskapitals an einer GmbH beteiligter Gesellschafter als Angestellter der GmbH tätig, dabei an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert, erhält er eine vereinbarte monatliche Vergütung, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Urlaubsgeld und hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.4.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) darüber, ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als mitarbeitender Gesellschafter bei der Klägerin in der Zeit ab dem 1.4.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, Gesellschaftsvertrag v. 21.2.2012 [GV], HRB xxx, Amtsgericht [AG] G). Ihr Unternehmensgegenstand sind der Bau und Betrieb technischer Anlagen (§ 2 GV). Das Stammkapital der Klägerin beträgt 25.000 Euro (§ 3 GV). Hieran beteiligt sind die Firma N Sanitär- und Heizungsanlagen GmbH, die Herren S Q und U L sowie der Beigeladene zu 1) mit je 6.250 Euro (§ 3 GV). Nach § 12 Nr. 1 GV werden in der Gesellschafterversammlung der Klägerin Beschlüsse mit 3/4 Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wenn nicht gesetzlich oder nach den Bestimmungen des GV eine höhere Mehrheit vorgeschrieben ist. Auf je 100,00 Euro Stammeinlage entfällt eine Stimme (§ 12 Nr. 2 GV). Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sämtlich Gesellschafter anwesend oder vertreten sind (§ 12 Nr. 3 S. 1 GV). Bei Beschlussunfähigkeit muss innerhalb von einer Woche eine neue Gesellschafterversammlung stattfinden. Diese ist dann ohne Rücksicht auf die Anzahl der Anwesenden beschlussfähig (§ 12 Nr. 5 GV).
Am 21.2.2012 wurde Herr E N zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführer bestellt. Mit dem Beigeladenen zu 1) schloss die Klägerin einen "Anstellungsvertrag mit einem Gesellschafter im Angestelltenverhältnis" ohne Datumsangabe mit Wirkung zum 1.6.2012 (AV). Aufgabengebiet und Zuständigkeit wurden in § 1 AV wie folgt bestimmt:
1. Der angestellte Gesellschafter übernimmt ab 01.06.2012 in dem Unternehmen folgende Position:
Mitglied der Betriebsleitung im technischen Bereich zur Instandsetzung und Instandhaltung von Wirtschaftsgebäuden.
2. Der angestellte Gesellschafter hat die in Abs. 1 beschriebenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig wahrzunehmen. Er ist Vorgesetzter den Arbeitnehmern gegenüber, die nicht Gesellschafter sind. Er ist anderen angestellten Gesellschaftern gegenüber nicht weisungsgebunden.
3. Dem angestellten Gesellschafter können im Rahmen eines bes. Gesellschafterbeschlusses besondere Aufgabengebiete zugeteilt werden. Er wird erforderlichenfalls über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus seine Arbeitsleistung erbringen. Er kann sich die Arbeitszeit frei einteilen.
4. Das Arbeitsverhältnis bezieht sich auf eine weltweite Tätigkeit.
5. Der angestellte Gesellschafter ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Die Vergütung wurde mit 3.000 Euro monatlich brutto und einer Erhöhung um 6.500 Euro für Tätigkeiten außerhalb Deutschlands sowie einer Tantieme bestimmt (§ 2 AV). Ebenfalls vereinbart wurden u.a. ein Urlaubsanspruch (§ 3 AV), eine Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 4 AV) sowie eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende (§ 5 AV).
Im Dezember 2012 beantragten der Beigeladene zu 1) und die Klägerin, die ihn zur Sozialversicherung anmeldete, gem. § 7a Abs. 1 SGB IV festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Der Beigeladene zu 1), dessen regelmäßiges Arbeitsentgelt die allgemeine Jahresarbeitsent...