Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Feststellung des Einkommens. Nichtberücksichtigung von nach Ablauf des Bemessungszeitraums zugeflossenen Gehaltsnachzahlungen. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Gehaltsnachzahlungen, die lange nach Ablauf des Bemessungszeitraums zufließen, sind im Rahmen der Elterngeldberechnung bei der Ermittlung des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens nicht zu berücksichtigen.
2. Erzielt ist Einkommen iSd § 2 Abs 1 S 1 BEEG nur, wenn es im Bemessungszeitraum auch tatsächlich zugeflossen ist. Für die Einkommenserzielung genügt es hingegen nicht, lediglich den Anspruch auf Auszahlung des Einkommens erarbeitet zu haben.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.12.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben sich die Beteiligten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes; die Klägerin beansprucht eine Nachzahlung von 1.634,29 EUR, weil sie nachträglich im Wege eines gerichtlichen Vergleichs Lohnnachzahlungen erstritten hat.
Die 1976 geborene Klägerin ist verheiratet. Seit 2001 war sie als Physiotherapeutin in einer physiotherapeutischen Praxis beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag sah eine leistungsbezogene Vergütung in Höhe eines festen Prozentsatzes (46 Prozent) der Vergütung vor, die seinerseits ihr Arbeitgeber mit dem Leistungsträger abrechnete. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit bestimmte sich die Vergütung nach den Durchschnittsverdienst der letzten drei voll abgerechneten Monate.
Ab Juli 2006 zahlte der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt sowie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht mehr in ordnungsgemäßer Höhe. Vom 26.10.2006 bis 21.01.2007 war die Klägerin wegen schwangerschaftsbedingter Gesundheitsstörungen arbeitsunfähig; sie bezog vom 07.12.2006 bis 21.01.2007 Krankengeld. Am 22.01.2007 gebar sie das Kind K. Vom 22.01. bis 28.05.2007 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 EUR kalendertäglich.
Am 17.04.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat ihres Sohnes K. Sie legte hierzu Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers für die Monate Dezember 2005 bis November 2006 vor, wie sie bis dahin erstellt und abgerechnet waren.
Auf der Grundlage dieser Bescheinigungen bewilligte das zuständige Versorgungsamt Aachen durch Bescheid vom 15.05.2007 Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von 904,79 EUR. Das vom Versorgungsamt zugrundegelegte Nettojahresentgelt der zwölf Monate vor der Geburt ergab ein durchschnittliches Monatsnettoentgelt von 1.350,44 EUR.
Gegen den Bewilligungsbescheid legte die Klägerin am 01.06.2007 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass der Arbeitgeber das Gehalt in den Monaten Juli bis November 2006 nicht vollständig abgerechnet habe. Ihr stehe noch eine Vergütung wegen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für diese Zeit von 4697 EUR zu. Sie führe deshalb ein arbeitsgerichtliches Verfahren. Diese noch ausstehende Vergütung müsse zu einem höheren Elterngeld führen. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.09.2007 zurück mit der Begründung, Grundlage der Elterngeldberechnung seien die monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, wie sie vorgelegt worden seien. Das in dem noch nicht abgeschlossenen Arbeitsgerichtsverfahren eingeklagte höhere Erwerbseinkommen könne nicht bei der Berechnung des durchschnittlichen Nettoeinkommens berücksichtigt werden. Zukünftige Ereignisse könnten nicht Gegenstand einer aktuellen Berechnung sein.
Dagegen hat die Klägerin am 15.10.2007 Klage erhoben. Während des Verfahrens vor dem Sozialgericht endete das von der Klägerin angestrengte arbeitsgerichtliche Verfahren über die von ihr begehrte Gehaltsnachzahlung für das Jahr 2006 rechtskräftig mit einem Vergleich (2 Ca 10/08 - Arbeitsgericht Aachen). Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber der Klägerin zu einer Nachzahlung von insgesamt 4766 EUR brutto für das Jahr 2006.
Die Klägerin hat geltend gemacht, nicht das zunächst im Bemessungszeitraum zugeflossene, sondern das ihr tatsächlich zustehende und später mit Gehaltsbescheinigungen vom 20.02.2008 abgerechnete Arbeitsentgelt sei zur Bemessung des Elterngeldes heranzuziehen; anderenfalls hinge dessen Höhe von der Zahlungsmoral des Arbeitgebers ab.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten: Für das zur Berechnung des Elterngeldes heranzuziehende Bemessungsentgelt gelte das Zuflussprinzip. Nachträglich gezahltes Arbeitsentgelt könne nur dann berücksichtigt werden, wenn sich die Nachzahlung auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die im Kalenderjahr der Zahlung endeten; dies ergebe sich aus den Lohnsteuerrichtlinien. Lägen Zeitpunkt und Zeitraum der Nachzahlung in zwei verschiedenen Kalenderjahren, so sei die Nachzahlung als sonstiger Bezug anzusehen. So...