Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Hilfeleistung gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. Abgrenzung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gem §§ 2 Abs 2 S 1 iVm 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. objektive Anhaltspunkte
Orientierungssatz
Ein Hilfeleistender, der ein sechsjähriges Kind mit Willen seiner Mutter über einen 1,70 m hohen Metallzaun befördert, nachdem das Kind nicht zu bewegen war, über den Zaun zu klettern oder darunter hindurch zu kriechen, um sich zurück auf den Spielplatz zu begeben, steht nicht gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 sondern gem §§ 2 Abs 2 S 1 iVm 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Unfall des Klägers vom 05.09.2004 ein Arbeitsunfall war.
Am Unfalltag hielten sich der 1990 geborene Kläger und der gleichaltrige Zeuge U auf dem Spielplatz T Straße in X auf. Auf der - vom Eingang des Spielplatzes aus betrachtet - rechten Seite befindet sich eine Mauer, an welcher rechtwinklig ein Metallzaun von einer Höhe von etwa 1,70 m angrenzt. Entlang der Mauer verläuft in der Höhe von etwa 30 bis 50 cm ein Mauervorsprung, der etwas schräg nach unten abfällt. Der Boden auf der Seite des angrenzenden Grundstücks (hinter dem Zaun) liegt etwa 30 cm tiefer als der Boden des Spielplatzes. Bei dem Nachbargrundstück handelt es sich um das Betriebsgelände eines Energieversorgungsunternehmens, welches komplett umzäunt ist und am Unfalltag durch ein Tor verschlossen war.
Der Kläger und der Zeuge U bemerkten ein kleines Mädchen, das sich allein auf dem Grundstück hinter dem Zaun aufhielt und laut und anhaltend weinte. Der Mutter des sechsjährigen Kindes, das entweder durch Benutzung des Mauervorsprungs über den Zaun geklettert oder unter einem Tor hindurch gekrochen war, gelang es nicht, ihre Tochter zur Rückkehr auf den Spielplatz zu bewegen. Der Kläger bot daher der Mutter des Mädchens seine Hilfe an. Da diese einverstanden war, kletterte der Kläger über den Zaun und beförderte das Kind auf die andere Zaunseite. Beim Zurückklettern blieb er mit seinem Ring an einer der Zaunspitzen hängen, wodurch die Haut des rechten Mittelfingers bis zum Knochen abgetrennt wurde. Der rechte Mittelfinger musste anschließend amputiert werden.
Mit Bescheid vom 20.10.2004 lehnte es der Rechtsvorgänger der Beklagten ab, den Unfall als Versicherungsfall anzuerkennen. Zur Begründung gab er an: Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) habe nicht bestanden. Der Kläger habe zwar aktiv zu Gunsten des Mädchens gehandelt, es habe aber keine erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit des Kindes bestanden. Der Rechtsbehelf des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 18.07.2006 Klage erhoben und vorgetragen: Er sei als "Nothelfer" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII tätig geworden. Das Mädchen sei nicht in der Lage gewesen, aus eigener Kraft die Situation zu beenden. Es habe sich also in einer hilflosen Lage befunden, geweint und geschrien. Ob das Mädchen sich bereits verletzt gehabt und ärztlicher Hilfe bedurft habe, sei nicht klar erkennbar gewesen. Die Möglichkeit eines konkreten - weiteren - Schadenseintritts habe greifbar nahe gelegen.
Die Beklagte ist auf ihrem Standpunkt verblieben. Sie hat gemeint, dass objektive Anhaltspunkte, die zur Annahme eines Unglücksfalls oder einer sonstigen Gefahrenlage berechtigten, nicht vorgelegen hätten.
Mit Urteil vom 15.01.2008 hat das Sozialgericht dem Antrag des Klägers entsprechend die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 verurteilt, den Unfall des Klägers vom 05.09.2004 als Versicherungsfall anzuerkennen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen die ihr am 23.01.2008 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 13.02.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Der Kläger habe bei dem Unfall nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII unter Versicherungsschutz gestanden. Für die Annahme einer Gefahr, die einen schweren gesundheitsbeeinflussenden seelischen Schock herbeizuführen geeignet sei, fehle es im vorliegenden Fall an jeder Objektivierung. Dass ein Kind weine, noch dazu auf einem Kinderspielplatz, könne nicht unmittelbar mit einer Situation in Verbindung gebracht werden, die geeignet sei, einen schweren gesundheitsbeeinflussenden seelischen Schock herbeizuführen.
Auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII seien nicht erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.01.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat zur Untermauerung seines Vortrags Unterlagen aus dem von ihm angestrengten Zivilprozess gegen die Stadt X, in dem um deren Schade...