Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Unterbringung eines minderjährigen Kindes in einer stationären Einrichtung. Heranziehung eines Elternteils zu einem Kostenbeitrag. Begrenzung auf den sich aus § 35 Abs 1 S 2 SGB 12 aF bzw § 27b Abs 1 S 2 SGB 12 nF ergebenden Rechnungsposten. häusliche Ersparnis. Prognose für den Fall einer Unterbringung im Elternhaushalt. Zeitliche Einschränkung des Streitgegenstands. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Wesentliche Änderung. Obergrenze für den Einkommenseinsatz. Regelsatz. Kosten für Unterkunft und Heizung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Maßgabe von § 19 Abs 1 bis 3 SGB 12 haben sich einsatzpflichtige Eltern bei einer privilegierten Maßnahme der Eingliederungshilfe in einer stationären Einrichtung iS von § 92 Abs 2 S 1 Nr 1 bis 6 SGB 12 gem § 92 Abs 2 S 3 Halbs 1 SGB 12 nur in Höhe des in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts und nur insoweit, als sie Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart haben, aus ihrem nach §§ 82 bis 84 SGB 12 anrechenbaren Einkommen zu beteiligen.
2. Obergrenze für die Kostenbeteiligung ist der sich aus § 35 Abs 1 S 2 SGB 12 aF, § 27b Abs 1 S 2 SGB 12 nF ergebende Rechnungsposten.
3. Für die Bestimmung der häuslichen Ersparnis ist in Bezug auf die vom Rechnungsposten § 35 Abs 1 S 2 SGB 12 aF, § 27b Abs 1 S 2 SGB 12 nF im konkreten Fall umfassten Bedarfe zu prognostizieren, welche Aufwendungen bei Unterbringung des behinderten Kindes im Haushalt des einsatzpflichtigen Elternteils voraussichtlich tatsächlich und nicht nur hypothetisch angefallen wären.
4. In Bezug auf die vom Regelsatz umfassten Bedarfe kommt ein über den für das behinderte Kind anzusetzenden Regelsatz hinausgehender Kostenbeitrag nicht in Betracht.
Normenkette
SGB XII § 92 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Sätze 1, 3, § 19 Abs. 3, § 27b Abs. 1; SGB X §§ 45, 48 Abs. 1 S. 1; SGG § 123
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.01.2013 abgeändert. Der Bescheid vom 07.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2006 und des im Termin am 25.01.2013 erlassenen Änderungsbescheids wird aufgehoben. Der Bescheid vom 16.11.2006 in Gestalt des Bescheids vom 04.12.2006 und des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2007 wird aufgehoben, soweit darin eine Kostenbeteiligung von mehr als 276,- Euro monatlich festgesetzt wurde. Der Bescheid vom 04.07.2007 wird aufgehoben, soweit darin für die Zeit ab dem 01.07.2007 bis zum 30.11.2010 eine Kostenbeteiligung von mehr als 278,- Euro monatlich festgesetzt wurde.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 4.057,00 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.694,75 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Kostenbeitrags streitig, den der Kläger ab dem 01.05.2006 für die stationäre Unterbringung seiner Tochter in einer Einrichtung für behinderte Menschen zu zahlen hat.
Die am 00.00.1992 geborene Tochter des Klägers leidet am sog. Williams-Beuren-Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine genetische Erkrankung, die regelmäßig mit Gefäßverengungen, motorischen und geistigen Entwicklungsverzögerungen, geistiger Behinderung und Störungen im Sozialverhalten verbunden ist. Bei der Tochter sind seit ihrer Geburt ein Grad der Behinderung von 80 sowie die Merkzeichen "G" und "H" anerkannt. Auf Antrag der Eltern wurde die Tochter zum 01.02.1999 in das Bildungs- und Pflegeheim St. K in N aufgenommen. Hierbei handelt es sich um ein Heim für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, in dem im Rahmen einer internatsmäßigen Unterbringung auch die Schulbildung der untergebrachten Kinder und Jugendlichen erfolgt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 24.02.1999 übernahm der Beklagte die Kosten der Heimunterbringung einschließlich eines Barbetrags zur persönlichen Verfügung der Tochter. Nach endgültiger Trennung der Eltern forderte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.01.2000 erstmals einen Kostenbeitrag von dem Kläger, u.a. ab November 1999 "bis auf Weiteres" in Höhe von 191,80 DM monatlich. Von der einkommens- und vermögenslosen Mutter wurde kein Kostenbeitrag gefordert.
In der Folgezeit änderte der Beklagte durch jeweils bestandskräftige Bescheide den Kostenbeitrag des Klägers im Hinblick auf Veränderungen in dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen mehrfach ab. Er ging dabei stets davon aus, dass der Kläger gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz Bundessozialhilfegesetz (BSHG) einen Kostenbeitrag nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zu tragen hat, weil es sich bei der Unterbringung der Tochter im St. K um eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG handele.
Nachdem der Kläger nach Scheidung von der Mutter seiner Tochter Ende 2003 eine neue Ehe einging, setzte der Bekl...