Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Wohngruppenzuschlag für Pflegebedürftige in einer familiär verbundenen Wohngruppe

 

Orientierungssatz

1. Pflegebedürftige haben nach § 38a SGB 11 Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von monatlich 200 Euro, wenn sie neben weiteren erforderlichen Voraussetzungen zusammen mit mindestens drei Pflegebedürftigen gemeinschaftlich wohnen mit dem Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung; über die mindestens drei Pflegebedürftigen hinaus können sich auch Personen anschließen, die nicht pflegebedürftig iS der §§ 14, 15 SGB 11 sind.

2. § 38a SGB 11 enthält keinen Ausschlusstatbestand für die familiäre Pflege in einer familiär strukturierten Wohngruppe.

3. Der pauschale Wohngruppenzuschlag ergänzt nicht den privaten Pflegeaufwand, für den die ambulanten Sachleistungen gewährt werden, sondern mit ihm soll in erster Linie den besonderen Aufwendungen der Organisation von Wohngruppen Rechnung getragen werden.

 

Normenkette

SGB XI § 38a Abs. 1 Nrn. 1, 3-4, § 14 Abs. 1-2, § 15 Abs. 1 S. 1, § 18 Abs. 3, § 39 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.02.2016; Aktenzeichen B 3 P 5/14 R)

 

Tatbestand

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.01.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die der Klägerin und den Beigeladenen zu 1 und 2 im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Die Klägerin begehrt die Zahlung des Wohngruppenzuschlages nach § 38a des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI).

Die am 00.00.1927 geborene Klägerin erhält Leistungen bei häuslicher Pflege nach der Pflegestufe I. Sie leidet im Wesentlichen an den Folgen einer Altersgebrechlichkeit, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bei Arthritis und einem Diabetes mellitus.

Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann (Beigeladener zu 1) und ihrem behinderten Sohn (Beigeladener zu 2), sowie ihren zwei Söhnen, ihrem gesetzlichen Betreuer und dem Beigeladenen zu 2, sowie der Schwiegertochter und drei volljährigen Enkeln auf einem landwirtschaftlichen Hof in einem sog. Mehrgenerationenhaus. Die im Haus befindliche Küche wird von allen gemeinsam genutzt. Die Klägerin und die Beigeladenen zu 1 und 2 nutzen zudem eine, von der übrigen Wohnung des Betreuers und seiner Familie (Ehefrau und Söhne) getrennte, gemeinsame Wohnfläche, wobei die Klägerin und ihr Ehemann ein gemeinsames Schlafzimmer und ihr Sohn, der Beigeladene zu 2, ein eigenes Schlafzimmer nutzen. Bad, Wohn- und Essraum werden von den drei Pflegebedürftigen gemeinsam genutzt. Die gesamte Familie wohnt schon seit Jahren, auch bereits vor Antragstellung im Verwaltungsverfahren, als Großfamilie zusammen.

Die Klägerin wird im Wesentlichen durch einen ambulanten Pflegedienst sowie ihre Schwiegertochter gepflegt.

Auch ihr Ehemann, der Beigeladene zu 1, erhält von der Beklagten Kombinationsleistungen bei häuslicher Pflege nach Pflegestufe I. Der Beigeladene zu 2 erhält von der Beigeladenen zu 3 ebenfalls Kombinationsleistungen bei häuslicher Pflege nach Pflegestufe II. Ebenso wie die Klägerin und der Beigeladene zu 1 wird auch er von dem ambulanten Pflegedienst und seiner Schwägerin betreut.

Im Januar 2013 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1 bei der Beklagten sowie der Beigeladene zu 2 bei der Beigeladenen zu 3 zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen nach § 38a SGB XI. Hierzu gaben sie an, in ihrer auch schon vor dem Auftreten der Pflegebedürftigkeit bestehenden Wohngemeinschaft würden sie durch die Schwiegertochter und eine Pflegekraft der Ambulanten Pflegeprofis I. betreut. Diese übernähmen die organisatorischen, verwaltenden und pflegerischen Aufgaben.

Die Beigeladene zu 3 bewilligte dem Beigeladenen zu 2 mit Bescheid vom 19.3.2013 den beantragten pauschalen Wohngruppenzuschlag. Hingegen lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 24.04.2013 die Anträge der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 ab, weil das Zusammenleben innerhalb eines Familienverbundes (z.B. Eltern mit Kindern) nicht den Zweck der gemeinschaftlichen pflegerischen Versorgung in einer gemeinsamen Wohnung verfolge. Nach der Intention des Gesetzes solle die gemeinschaftlich selbst organisierte pflegerische Versorgung innerhalb einer Wohngruppe der Anlass des Zusammenlebens sein. Dies sei beim Zusammenleben in einem Familienverbund nicht der auslösende Tatbestand. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies sie mit Bescheiden vom 16.09.2013 zurück.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 haben am 21.10.2013 Klagen beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben. Das Klageverfahren des Beigeladenen zu 1 - SG Münster, S 6 P 167/13 - ruht (Beschluss des SG vom 10.04.2014). Die Klägerin hat zur Begründung ausgeführt, sie lebe mit zwei weiteren pflegebedürftigen Personen in einer gemeinschaftlichen Wohnung. Der Anspruch müsse auch dann bestehen, wenn Verwandte mit zwei weiteren pflegebedürftigen Personen in gemeinschaftlicher Wohnung zusammenleben. Auch das Zusammenleben inn...

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