Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Anforderung an die Rügeerhebung. Angemessenheit einer Verfahrensdauer. Wartefrist bei Verfahrensbeendigung nach Rügeerhebung
Orientierungssatz
1. Kommt es in einem Verfahren über die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier: Kosten der Unterkunft) bei einem im Übrigen systematischen und zielgerichteten Betreiben des Verfahrens durch das Sozialgericht zu einem zwischenzeitlichen Stillstand von fünf Monaten, so rechtfertigt diese Zeitspanne noch keinen Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Dabei kommt es auf die Motive des Gerichts bei der Verzögerung nicht an, da im Rahmen des Entschädigungsanspruchs nicht die Verwerflichkeit richterlicher Verfahrensgestaltung überprüft wird.
2. Erfolgt eine Verzögerungsrüge zu einem Zeitpunkt, in dem das Verfahren erkennbar durch das Gericht betrieben wird (hier: Festsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung), so ist die Rüge auch dann mangels einer Verfahrensverzögerung unwirksam, wenn es zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren tatsächlich zu einer Verzögerung kam.
3. Die im Falle einer Verzögerungsrüge für die Erhebung der Entschädigungsklage bestimmte Wartefrist von sechs Monaten gilt nur dann, wenn das Verfahren nach Erhebung der Verzögerungsrüge noch länger als sechs Monate andauert. Endet das Verfahren nach der Rüge innerhalb von sechs Monaten, kann die Entschädigungsklage nach Abschluss des betroffenen Verfahrens auch dann erhoben werden, wenn seit der Rügeerhebung noch keine sechs Monate vergangen sind.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung aus Staatshaftungsrecht nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Er macht die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 28 SO 225/11 Sozialgericht (SG) Düsseldorf geltend.
In diesem Rechtsstreit hat der Kläger mit seiner am 30.05.2011 beim SG Düsseldorf erhobenen Klage die Gewährung der bewilligten Heizkosten als Zuschuss statt als Darlehen begehrt.
Nach Eingang der Klage und Klageerwiderung (20.06.2011) bewilligte das SG mit Beschluss vom 29.08.2011 Prozesskostenhilfe und führte am 16.09.2011 einen Erörterungstermin durch. Mit ausführlichem Richterbrief vom 19.09.2011 forderte das SG den Beklagten zur Abgabe eines Anerkenntnisses auf, was dieser mit Schreiben vom 25.10.2011 ablehnte. Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten erklärte der Klägerbevollmächtigte am 11.01.2012 (Eingang beim SG am 12.01.2012) sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Mit Schriftsatz vom 04.07.2012 verwies der Bevollmächtigte darauf, dass die Ehefrau des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Beteiligte des Verfahrens war, am 00.03.2012 verstorben sei und bat um Sachstandmitteilung. Mit umfangreichem Richterbrief vom 11.07.2012 legte das SG den Beteiligten seine Rechtsauffassung dar und forderte den Beklagten neuerlich zu einem Anerkenntnis auf. Dem Bevollmächtigten des Klägers teilte es zugleich mit, dass ein zeitnaher Verhandlungstermin vorgesehen sei. Außerdem bat es um die Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde und einen aktuellen Klageantrag. Mit Schreiben vom 20.07.2012 legte der Klägerbevollmächtigte die Sterbeurkunde vor und teilte mit, dass die Erben in den Rechtsstreit einträten. Am 04.09.2012 erklärte der Beklagte, auch weiterhin nicht bereit zu sein, ein Anerkenntnis abzugeben. Mit Verfügung vom 12.09.2012 lud das SG die Sache zur mündlichen Verhandlung auf den 15.11.2012. Am 18.09.2012 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers den Termin zu verlegen. Mit Schreiben vom 01.12.2012, eingegangen bei Gericht am 03.12.2012, rügte er die Verfahrensdauer. Daraufhin wies ihn das SG darauf hin, dass er der mit Verfügung vom 11.07.2012 geäußerten Bitte, einen aktuellen Klageantrag zu stellen, nicht nachgekommen sei und die in den Rechtsstreit eintretenden Erben bislang nicht benannt habe. Hierauf übersandte der Bevollmächtigte des Klägers den Erbschein vom 04.12.2012 und benannte die Erben (Schriftsatz vom 11.12.2012). Mit Verfügung vom 18.02.2013 wurde die Sache auf den 07.03.2013 geladen. Das Verfahren endete im Termin durch Anerkenntnis.
Am 06.06.2013 hat der Kläger die Entschädigungsklage erhoben. Er begehrt eine Entschädigung in Höhe von 5.600,00 EUR für die Gerichtsverfahren S 28 SO 537/10, S 28 538/10, S 28 SO 224/11 und S 28 SO 225/11. Da es in den Verfahren ausschließlich um die Entscheidung von Rechtsfragen gegangen sei, hätte das SG bereits nach dem Scheitern der gütlichen Einigung im Erörterungstermin um das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bitten können. Alternativ hätte unverzüglich nach dem ergebnislosen Erörterungstermin Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt werden müssen. Die mündliche Verhandlung mit einem Abschluss aller vier Verfahren hätte also noch im Jahr ...