Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsweg. innerer Zusammenhang. Nachweis. Wahrscheinlichkeit
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Betriebsweges, wenn ein Auslieferungsfahrer auf der Rückfahrt von einem Kunden an der zur Betriebsstätte führenden und ihm bekannten Abfahrt aus ungeklärter Ursache vorbeifuhr.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 06.01.1992 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Der 1969 geborene Kläger ist Diabetiker und war bei der Firma P D GmbH & Co. KG, einem Fleischwarenbetrieb, in R-W als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Am Vormittag des Unfalltages hatte er Kunden in G und M zu beliefern. Gegen 12.45 Uhr befuhr er in L (Kreis G) die (B 55) in südlicher Richtung, als sein Laster auf die linke Fahrspur geriet und mit einem entgegenkommenden LKW zusammenstieß. Er wurde eingeklemmt, notärztlich versorgt und in das St.-V -H W eingeliefert, wo Chefarzt Dr. P eine Schädelprellung mit Schnittwunden im Gesicht, eine Prellung der Halswirbelsäule, ein stumpfes Bauchtrauma, eine Acetabulumfraktur links sowie eine hintere Luxation des linken Hüftgelenks diagnostizierte. Eine Konsiliaruntersuchung durch den Neurologen Dr. W in G am 13.01.1992 ergab zusätzlich eine Parese des Nervus peronaeus links. Im Bericht ist vermerkt: "Keine Bewußtseinsstörung, keine retrograde Amnesie". Als vorläufige Diagnose wird ferner eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) genannt.
Die Arbeitgeberin teilte der Beklagten mit, der Unfall habe sich nach der Belieferung von Imbißkunden in G und M nicht auf dem direkten Weg zurück zum Betrieb ereignet. Dem Kunden P sei aufgefallen, daß der Kläger bei der Auslieferung völlig durcheinander gewesen sei. Sein Verhalten werde evtl. als Folge seines Zuckerleidens angesehen. Für den Weg vom letzten Kunden P bis zur Unfallstelle benötige man etwa eine 3/4 Stunde. Der Kläger sei zwischen 12.30 und 13.00 Uhr im Betrieb zurückerwartet worden. Er habe gegenüber Arbeitskollegen angegeben, er könne sich nicht daran erinnern, wie sich der Unfall ereignet habe und weshalb er nach L gefahren sei. Ähnlich äußerte er sich bei einem Telefongespräch mit der Beklagten; er begründete die Bewußtseinsstörung mit seiner Diabeteserkrankung. Nach erneuter Befragung der Arbeitgeberin, der Firma P, der Polizeidienststelle R-W und des Klägers, hinsichtlich deren Ergebnis auf den Aktenvermerk Bl. 91 -- 94 der Verwaltungsakten Bezug genommen wird, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.08.1992 eine Entschädigung wegen des Ereignisses vom 06.01.1992 ab mit der Begründung, es fehle an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit. Der Kläger habe sich nicht mehr auf dem Rückweg von der Auslieferungsfahrt zur Arbeitsstätte befunden, sondern diesen Weg aus nichtbetrieblichen Gründen verlassen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.1992 zurück: Da betriebliche Gründe für die Zurücklegung des unfallbringenden Weges nicht feststellbar seien, könne der dem Kläger obliegende Beweis "versicherte Tätigkeit" nicht erbracht werden. Der Hinweis auf die Diabeteserkrankung führe nicht zu einer anderen Beurteilung, denn auf Wegen, die am Ziel vorbeiführten, bestehe kein Versicherungsschutz, wenn hierfür allein wesentlich persönliche Umstände verantwortlich gewesen seien. Im übrigen sei eine krankheitsbedingte Fehlreaktion nicht bewiesen.
Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei nicht ziel- oder zweckgerichtet an dem Betriebsgelände vorbeigefahren, erst recht nicht aus persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Interessen. Das sei vielmehr offensichtlich aufgrund seiner Diabeteserkrankung infolge augenblicklicher Konzentrationsstörungen bzw. Ausfallserscheinungen geschehen. Dafür, daß es zu einer Unter- bzw. Überzuckerung und damit zu einer Bewußtseinsstörung gekommen sei, seien betriebliche Umstände zumindest mitursächlich gewesen. Der Unfall habe sich nämlich am ersten Arbeitstag nach dem Weihnachtsurlaub ereignet, an dem sich sein Körper noch nicht auf den betriebsüblichen Tagesrhythmus eingestellt habe. Eine andere Erklärung gebe es nicht. Von einer Lösung könne deshalb nicht gesprochen werden. Eine Mitursächlichkeit der versicherten Tätigkeit an dem Unfallgeschehen ergebe sich zudem daraus, daß er mit einem Firmenfahrzeug auf einer betrieblichen Auslieferungsfahrt gewesen sei. Das stelle eine gefährliche, unter den Versicherungsschutz fallende Verrichtung dar. Wäre er nicht mit einem LKW der Arbeitgeberin unterwegs gewesen, hätte sich bei einer plötzlichen Bewußtlosigkeit nicht ein solcher Unfall ereignet.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte des Internisten Dr. M und des praktischen Arztes Dr. F sowie eine Auskunft des S -V -H W eingeholt und Chefarzt Dr. W, H J -K M, als Sachverständigen gehört. Dieser ist in seinem Gutachten vom 21.09.1993 zu dem Ergebnis gelangt, nach den erhobenen Befunden und den Aktenunterlagen sei es wahrschei...