Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einem sog. Syndikusanwalt

 

Orientierungssatz

1. § 6 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB 6 gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn ein- und dieselbe Erwerbstätigkeit gleichzeitig zu zwei Versicherungsverhältnissen führt, d. h. zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und zusätzlich zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer (BSG Urteil vom 28. 6. 2018, B 5 RE 2/17 R).

2. Bei einem Rechtsanwalt führt ein- und dieselbe Erwerbstätigkeit neben der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann auch zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Rechtsanwaltsversorgung, wenn die Erwerbstätigkeit sowohl nach inhaltlichen Aspekten als auch ihrer Form nach dem Bereich anwaltlicher Tätigkeit zugeordnet werden kann.

3. Das Berufsbild des Rechtsanwalts verlangt eine unabhängige und weisungsfreie Bearbeitung der ihm übertragenen Mandate.

4. Demgemäß ist der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigte Syndikus nicht als Rechtsanwalt tätig und kann nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 befreit werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.12.2020; Aktenzeichen B 5 RE 6/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.6.2013 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin für ihre Beschäftigung als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden bei der Beigeladenen zu 1), einem Versicherungsunternehmen, ab dem 1.6.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien hat.

Die 1977 geborene Klägerin ist Volljuristin und wurde zum 1.10.2005 als Rechtsanwältin zugelassen und in das Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer (RAK) L eingetragen. Seit dem 14.10.2005 ist sie Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2) gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW v. 6.11.1984) i.V.m. § 10 Nr. 2 der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (Satzung B 2), die von ihr seither einkommensbezogene Beiträge erhebt.

In der Zeit vom 14.10.2005 bis 31.10.2005 war die Klägerin arbeitslos, ab dem 1.11.2005 nahm sie ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin in eigener Kanzlei auf und erhielt hierfür von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründerzuschuss nach § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Zeit vom 1.11.2005 bis zum 31.10.2006. Am 1.1.2006 stellte sie einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte erteilte daraufhin mit Datum vom 10.4.2006 zwei Befreiungsbescheide, nach denen die Klägerin zunächst für die Zeit ab dem 14.10.2005 (auf Grund von bestehender Arbeitslosigkeit) und ab dem 1.11.2005 im Hinblick auf § 2 S. 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) alte Fassung (a.F.) von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde.

Die Klägerin unterhält ferner seit dem 12.10.2005 bei der H Allgemeine Versicherungs-AG eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Versichertes Risiko ist die gesetzliche Haftpflicht aus der freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin. Im 5. Nachtrag wurden ab dem 1.6.2010 als Prämienberechnungsgrundlage jährliche Honorareinnahmen von 6.000,- EUR vereinbart sowie folgender Zusatz aufgenommen:

"Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung für die Berufstätigkeit als Rechtsanwalt, der bei seinem Arbeitgeber angestellt ist und nur seine daneben (bis zur Hälfte der Arbeitskraft) ausgeübte freie Anwaltstätigkeit versichert."

Die Klägerin hatte sich zu dieser Zeit bereits erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1) auf die Stelle einer Sachbearbeiterin (m/w) bzw. Volljuristin (m/w) im Bereich Haftpflicht-Schaden in der Abteilung Arzthaftungsschäden beworben. Mit Arbeitsvertrag (AV) vom 3.5.2010, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, wurde sie dort ab dem 1.6.2010 als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden eingesetzt, § 2 Abs. 1 AV. Sie erhielt ein Grundgehalt der Gehaltsgruppe VI (12. Berufsjahr nach dem Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe) in Höhe von 3.334,00 EUR und ab dem 1.12.2010 in Höhe von 3.456,00 EUR (Grundgehalt, Gehaltsgruppe VI/VII, 12. Berufsjahr). Die Beigeladene zu 1) meldete die Klägerin zur zuständigen Einzugsstelle zunächst unter dem Tätigkeitsschlüssel 69664 und (nach einer generellen Neuordnung des Schlüsselverzeichnisses) ab 2011 unter dem Schlüssel 721324511 an. Die Klägerin beschäftigte sich bei der Beigeladenen zu 1) mit einem eigenen Schadensdezernat ...

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