Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage des Heimträgers auf höhere Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege

 

Orientierungssatz

1. Der Heimträger kann grundsätzlich berechtigte Kosten der vollstationären Pflege im Wege der Leistungsklage geltend machen.

2. Bei verweigerter Antragstellung des Versicherten und bei Inanspruchnahme des förmlichen Weges nach § 87a Abs. 2 S. 3 durch den Heimträger ist die Pflegekasse dem Heimträger gegenüber verpflichtet, dem Versicherten einen Änderungsbescheid über die Leistungsbewilligung nach der höheren Pflegestufe zu erteilen, um die Mehrbelastung des Heimträgers teilweise auszugleichen.

3. Dies gilt nur dann, wenn der Heimträger zuvor den Versicherten schriftlich aufgefordert hat, den Höherstufungsantrag zu stellen oder den Weg des § 84 Abs. 2 S. 3 SGB 11 gegangen ist.

4. Die gerichtliche Überprüfung eines zeitnahe erstellten MDK-Gutachtens ist nur bei dessen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit möglich. Das ist u. a. dann der Fall, wenn in diesem Gutachten unberücksichtigt geblieben ist, dass die dokumentierte Hilfe verschiedentlich von zwei Pflegekräften durchgeführt werden musste.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.11.2007 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Betrag iHv 459,- Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt ein gleichnamiges Altenwohn- und Pflegeheim, in welchem die 1921 geborene und bei der Beklagten Versicherte RM (im Folgenden RM), deren Rechtsnachfolger ihr zum Verfahren beigeladener Sohn ist, von Februar 2003 bis zu ihrem Tode am 27.05.2005 gepflegt wurde. Die Versicherte erhielt zunächst Leistungen der Pflegestufe II. Pflegebegründend war ausweislich des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Westfalen-Lippe vom 23.04.2003 im Wesentlichen eine vaskuläre Demenz mit Antriebsminderung und Desorientierung. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrugt zu dieser Zeit 130 Minuten (KP 76, E 20, M 34)

Den im Mai 2005 von RM auf Veranlassung des Klägers nach § 87a Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) gestellten Antrag auf Höherstufung in die Pflegestufe III lehnte die Beklagte nach Einholung eines weiteren Gutachten des MdK mit Bescheid vom 09.06.2005 ab. In dem Gutachten vom 27.05.2005 wird jetzt ein Grundpflegebedarf von täglich 176 Minuten (KP 123, E 0, M 53) festgestellt. Widerspruch legte RM nicht ein.

Der Kläger, dem der Beklagte die Ablehnung der Höherstufung in die Pflegstufe III mit Schreiben vom 09.06.2005 auch mitgeteilt hatte, hat am 17.10.2005 beim Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben und die Zahlung von 459 Euro nebst 4 % Zinsen über den Basis-Zinssatz gemäß § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die Versorgung der zwischenzeitlich verstorbenen RM verlangt. Der Betrag ergebe sich aus dem gesetzlichen Kostenanteil der Beklagten iHv 153 Euro monatlich für den streitbefangenen Zeitraum vom 10.03. bis 27.05.2005. Zur Begründung hat der Kläger angeführt, die Versicherte sei in der streitigen Zeit schwerstpflegebedürftig gewesen. So habe diese am 16.02.2005 einen Apoplex mit der Folge einer kompletten Immobilität erlitten. Zahlreiche Verrichtungen hätten von zwei Pflegekräften des Pflegeteams durchgeführt werden müssen. Die Versicherte habe auch unter extremer Schmerzempfindlichkeit gelitten, insbesondere in ihrer Sterbephase. Es habe zuletzt ein Grundpflegebedarf von täglich 325 Minuten bestanden. Die Klägerin hat insoweit auf die vorgelegte Pflegedokumentation Bezug genommen und angeregt, die Pflegebezugskraft O K, die Pflegedienstleiterin N M und den Wohnbereichsleiters K T als Zeugen anzuhören.

Das SG hat zunächst die vom Kläger benannten Zeugen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des SG vom 30.05.2006 Bezug genommen. Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Pflegewissenschaftlerin H O, die einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 280 Minuten (KP 165, E 33, M 82) täglich im Durchschnitt beschrieben hat.

Das SG hat mit Urteil vom 07.11.2007 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Pflegekosten. Nach § 84 Abs. 2 S. 3 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) seien bei der Zuordnung von Pflegebedürftigen zu den Pflegeklassen die Pflegestufen nach § 15 SGB XI zugrunde zu legen, soweit nicht nach der gemeinsamen Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung des Pflegeheims die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend sei. Die Versicherte sei in Pflegestufe II eingestuft gewesen; eine anderweitige Beurteilung sei auch nicht hergestellt worden. Damit könne es ungeachtet der durchgeführten Ermittlungen dahin stehen, ob die Versicherte vielleicht sogar schwerstpflegebedürftig gewesen sei. Maßgebend sei allein die bestandskräftig vorgenommene Einstufung der Versicherten. Der entgegenste...

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