Entscheidungsstichwort (Thema)
Versichertenrente nach Maßgabe des RV/UVAbk POL. Witwenrentenberechnung. Folgerente. Besitzschutz
Orientierungssatz
Wurde eine Versichertenrente unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (juris: RV/UVAbk POL) geleistet, ist die anschließende Witwenrente ebenfalls nach Maßgabe des RV/UVAbk POL zu berechnen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Witwe selbst nicht dem RV/UVAbk POL unterfällt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.3.2013 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 4.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2010 verurteilt, der Klägerin höhere Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 4,1882 persönlicher Entgeltpunkte zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.
Die 1960 geborene Klägerin ist die Witwe des 1955 in Polen geborenen und am 30.6.2008 in Deutschland verstorbenen X. L. (fortan: Versicherter). Der Versicherte war in Polen als Hauer/Schlosser beschäftigt. 1982 nahm er seinen ständigen Aufenthalt in der (damaligen) Bundesrepublik Deutschland und erhielt hier den Vertriebenenausweis "A". Anschließend war er in Deutschland bis Oktober 2007 als Maschinenbediener beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihm ab Februar 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Basis von insgesamt 37,9273 persönlichen Entgeltpunkten (pEP). Dabei berücksichtigte sie die in Polen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9.10.1975 (im Folgenden: Abk Polen RV/UV 1975). Die aus Polen stammende Klägerin kam - unabhängig vom Versicherten - im Dezember 1992 nach Deutschland. Sie ist keine Spätaussiedlerin, aber (mittlerweile) deutsche Staatsangehörige. Der Versicherte und die Klägerin lebten seit etwa 2000 in einem eheähnlichen Verhältnis und heirateten am 20.6.2008.
Nachdem die Beklagte einen Anspruch auf große Witwenrente wegen der nur zehntägigen Ehedauer zunächst abgelehnt hatte, gewährte sie der Klägerin nach Anerkenntnis im nachfolgenden Klageverfahren (Sozialgericht (SG) Dortmund, Aktenzeichen (Az) S 6 KN 51/09) große Witwenrente in Höhe von (ab Oktober 2008) zunächst EUR 524,23 (Wert des Rechts auf Rente), wobei sich nach Anrechnung von Erwerbseinkommen ein Zahlbetrag von zunächst EUR 117,85 (ab Mai 2010: EUR 149,65) ergab. Dabei hat die Beklagte für "Zeiten mit Tabellenwert" (hier: 1.6.74 - 18.10.1982) nur 60% der ermittelten Entgeltpunkte (EP) berücksichtigt und insgesamt 33,7391 pEP zugrunde gelegt (endgültige Feststellung im Bescheid vom 4.5.2010). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe bei der Witwenrente die EP des Versicherten für die polnischen Zeiten bis 18.10.1982 nicht auf 60% kürzen dürfen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Bei der Berechnung der großen Witwenrente sei auf die Witwe als Berechtigte (und nicht auf den Versicherten) abzustellen. Da sie erst im Dezember 1992 nach Deutschland gekommen sei, sei auf sie nicht (mehr) das Abk Polen RV/UV 1975 anzuwenden. Stattdessen sei das (Nachfolge-)Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8.12.1990 (im Folgenden: Abk Polen SozSich 1990) maßgeblich, das entsprechenden Besitzschutz für Rentenanwartschaften nicht mehr vorsehe (Widerspruchsbescheid vom 28.6.2010).
Mit ihrer Klage vom 2.8.2010 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie keine Rente aus eigenen Beitragszeiten, sondern aus denen des Versicherten beanspruche; dieser habe vor dem maßgeblichen "Stichtag 1.1.1991" seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen und unterfalle dem Abk Polen RV/UV 1975. Auf den Zeitpunkt ihrer Übersiedlung komme es nicht an, da es nicht um einen Anspruch aus ihrer Versicherung gehe. Die Beklagte greife durch ihre Berechnungsweise in bereits bestandskräftig festgestellte Ansprüche des Versicherten ein.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten. Durch die Änderung der Rechtslage habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass polnische Abkommenszeiten nur noch nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigen werden können.
Mit Bescheiden vom 18.1. und 18.7.2012 hat die Beklagte die Witwenrente wegen Änderungen des auf die Rente anzurechnenden Erwerbseinkommens der Klägerin neu festgestellt.
Das SG hat die Klage unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Saarland (vom 24.6.2004, Az L 4 KN 27/02) abgewiesen: Das Abk Polen RV/UV 1975 sei auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht anwendbar. Deshalb seien die strittigen in Polen zurückgelegten Beitragszeiten "mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen", § 22 Abs 4 FRG idF des Wac...