Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung für das Medikament Lucentis zur Behandlung einer Augenerkrankung. keine Begrenzung des Leistungsanspruchs auf Behandlung mit ausgeeinzeltem Lucentis
Orientierungssatz
1. Der Leistungsanspruch eines Versicherten auf Injektionsbehandlungen mit dem Fertigarzneimittel Lucentis zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration (AMD) kann nicht auf eine Kostenübernahme bzw -erstattung für die Behandlung mit ausgeeinzeltem Lucentis begrenzt werden. Lucentis ist ausweislich des Anhangs I zum Zulassungsbescheid lediglich zum einmaligen Gebrauch und nur zur intravitrealen Anwendung bestimmt.
2. Rabatte nach §§ 130, 130a SGB 5 sind nicht zu Lasten des Versicherten in Abzug zu bringen. § 13 Abs 3 S 1 SGB 5 stellt auf die dem Versicherten tatsächlich entstandenen Kosten ab. Weder ist die Begrenzung auf die den Krankenkassen bei rechtzeitiger Leistung entstandenen Kosten zulässig noch dürfen - wie im Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs 2 SGB 5 - Abschläge vorgenommen werden.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 1 Sätze 1-2, § 28 Abs. 4 Fassung: 2003-11-14, § 31 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a S. 1 Fassung: 2007-03-26, § 34 Abs. 1 Fassung: 2007-03-26, § 61 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 130 Abs. 1 S. 1, § 130a Abs. 1 S. 1, § 135 Abs. 1 S. 1; AMR Fassung: 1993-08-31; GOÄ § 5 Abs. 2-5, § 12 Abs. 1-2; GOÄ Anl. Nrn. 445, 1383; SGB I § 58 S. 1; BGB § 1922 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.05.2010 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 5.769,78 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung für die intravitreale Applikation des Fertigarzneimittels Lucentis® in Anspruch.
Der 2009 verstorbene Versicherte war bei der Beklagten gegen das Risiko Krankheit versichert und litt unter einer altersbedingten Makuladegeneration beidseits, überwiegend klassisch subfoveal und subretinaler Blutung. Unter Vorlage einer Bescheinigung des zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Augenarztes Priv.-Doz. Dr. M. vom 10.08.2007 beantragte der Versicherte am 13.08.2007 bei der Beklagten die Kostenübernahme für drei intravitreale Injektionen mit Lucentis . Bei dem am 22.01.2007 durch die Europäische Kommission (europaweit) zugelassenen Fertigarzneimittel Lucentis (Wirkstoff: Ranibizumab ) handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper. Dieser hemmt ein Protein, das an der Ausbildung kleiner Blutgefäße beteiligt ist (sog. VEGF-Hemmer). Die Zulassung beschränkte sich seinerzeit auf die altersbedingte feuchte Makuladegeneration . Als Art der Anwendung wird in der Zulassung "Durchstechflasche zum einmaligen Gebrauch. Nur zur intravitrealen Anwendung" angegeben. Unter "Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung und sonstige Hinweise zur Handhabung" ist in der Zulassung u.a. vermerkt:
"Die Durchstechflasche, Injektionsnadel, Filterkanüle und Spritze sind nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Die Wiederverwendung kann zu Infektionen oder anderen Erkrankungen/Verletzungen führen. Alle Einzelteile sind steril. Jedes Einzelteil, dessen Verpackung Zeichen von Beschädigung oder Manipulationen aufweist, darf nicht genutzt werden. Die Sterilität kann nicht garantiert werden, sollte die Verpackung der Einzelteile eine Beschädigung aufweisen."
Der Apothekenverkaufspreis (AVP) von Lucentis belief sich im Zeitpunkt der Antragstellung und Durchführung der Injektionen auf 1.523,96 Euro je Einmalspritze. Während des Zulassungsverfahrens regte der bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingerichtete Ausschuss für Humanarzneimittel (vgl. Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 726/2004 vom 31.03.2004, ABl. EU, L 131/1) eine Reduktion des Füllvolumens an, um Mehrfachentnahmen zu verhindern (Stellungnahme des P-E-Instituts vom 14.04.2010). Im Vorgriff auf die zu erwartende Zulassung für Lucentis hatte bereits im Jahr 2006 die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) die Anerkennung der intravitrealen Injektion als neue Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beantragt. Nach Einholung einer Stellungnahme des Justiziariats und Beratung im Unterausschuss "Ärztliche Behandlung" teilte der GBA mit, dass die intravitreale Applikation lediglich einen (besonderen) Applikationsweg, nicht jedoch eine Behandlungsmethode darstelle und diese Leistung daher nach entsprechender Bewertung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen werden könne. Insofern werde der Bewertungsausschuss gebeten, die Bewertung möglichst bald vorzunehmen (Schreiben vom 29.01.2007).
Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es möglich sei, die vertriebene Einmalspritze auf zwei oder drei patientengerechte Darreichungsformen aufzuteilen. Das Städtische Krankenha...