Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Erreichung einer Leistungsfähigkeit von mindestens 6 Stunden in weniger als sechs Monaten bei Durchführung einer medikamentösen Therapie

 

Orientierungssatz

Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgabe "auf unabsehbare Zeit", die es erforderlich macht, dass der Versicherte voraussichtlich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten außer Stande ist, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein, scheidet die Annahme einer Erwerbsminderung iS des § 43 SGB 6 aus, wenn der Versicherte eine medikamentöse Therapie durchführen könnte, durch die die Leistungsfähigkeit von mindestens 6 Stunden täglich in weniger als sechs Monaten erreichbar ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.06.2021; Aktenzeichen B 13 R 94/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.12.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 00.00.1964 geborene Kläger ist von Beruf Schuhmodelleur und Techniker. Der Kläger unterzog sich am 15.03.2012 im Herzzentrum E einer koronaren Revaskularisation (= Wiederherstellung der Durchblutung). Eine Nachuntersuchung am 21.10.2013 erbrachte dann eine partielle Sternumdehiszenz (Auseinanderklaffen der Sternumhälften). Anschließend nahm der Kläger an einer ganztägigen ambulanten Rehabilitationsmaßnahme vom 23.04.2012 bis zum 16.05.2012 in der Rehabilitationsklinik in F teil; die Klinik schätzte den Kläger im Entlassungsbericht vom 01.05.2012 als leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten 6 Stunden und mehr ein.

Am 05.08.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte holte ein neurologisches Gutachten von Herrn A vom 16.09.2014 ein. Der Gutachter diagnostizierte bei dem Kläger den Verdacht auf eine passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung sowie eine Anpassungsstörung nach herzchirurgischem Eingriff. Der Kläger könne sowohl als Techniker arbeiten als auch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr täglich verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2014 den Rentenantrag des Klägers ab.

Hiergegen legte der Kläger am 03.11.2014 Widerspruch ein und führte aus, bei dem Brustbeinschaden handele sich nicht um eine Funktionsstörung, sondern um eine Quer- bzw. Längsfraktur.

Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein chirurgisches Gutachten von Dr. B vom 27.02.2015 ein. Dr. B erstattete das Gutachten nach Aktenlage, da der Kläger eine klinische Untersuchung und die Vorlage weiterer Arztberichte verweigerte. Der Gutachter führte aus, der Kläger sei weiterhin in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Außerdem lag der Beklagten auch das im sozialgerichtlichen Verfahren vom Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 7 SB 893/13 eingeholte Gutachten von dem Internisten Prof. Dr. C vom 17.10.2013 zur Feststellung des GdB vor.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2015 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 04.08.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und geltend gemacht, die vorliegenden ärztlichen Unterlagen seien von der Beklagten nicht vollständig berücksichtigt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2015 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers Dr. G und Dr. H beigezogen. Dr. G hat in seinem Befundbericht vom 30.09.2015 mitgeteilt, dass aktuell keine Arbeit vorstellbar sei. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H hat in seinem Befundbericht vom 28.09.2015 zur aufgeworfenen Beweisfrage nach dem Restleistungsvermögen keine Stellung genommen. Sodann hat das SG die Ärztin für Orthopädie Dr. J und die Ärztin für Neurologie und Sozialmedizin Dr. L zu Sachverständigen bestellt. Der Kläger hat sich geweigert, der Begutachtung nachzukommen. Mangels Mitwirkung des Klägers an den Begutachtungen hat das SG die Sachverständigen gebeten, die Gutachten nach Aktenlage zu erstellen.

Dr. J hat in ihrem orthopädischen Gutachten vom 19.02.2016 unter Berücksichtigung des neurologischen Zusatzgutachtens von Dr. L vom 25.01.2016 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

- Minderbelastbarkeit des Thorax bei Falschgelenkbildung des Brustbeines nach erfolgter Sternotomie im Rahmen einer stattgehabten aortokoronaren Venenbypassoperation im Jahre 2012 mit bestehender Querfraktur,

- lei...

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