rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Aachen (Entscheidung vom 18.04.1997; Aktenzeichen S 10 P 4/96) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen 3 RP 17/97) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in die Pflegestufe II einzustufen ist.
Der 1937 geborene Kläger ist seit 1974 wegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus I erblindet. Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau in einem Haushalt und ist als Masseur tätig. Seine Ehefrau bringt ihn täglich zur Arbeit, hilft ihm dort beim Umziehen, spricht ihm Behandlungstermine und -arten auf ein Tonband und holt ihn abends wieder von der Arbeitsstelle ab. Im häuslichen Bereich benötigt der Kläger beim Stehen, Gehen und Treppensteigen keine Hilfe. Auf den Antrag des Klägers auf Pflegeleistungen vom 03.02.1995 veranlaßte die Beklagte eine Begutachtung durch den MDK. Aufgrund eines Hausbesuches am 18.04.1995 stellte der Gutachter Dr. T. fest, Hilfebedarf bestehe beim Zurechtlegen der Kleidung, des Waschzeuges, der Kontrolle des Wascherfolges und des Anziehens, beim Rasieren, der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, Insulin spritzen, Blutzucker messen (mindestens vier- bis fünfmal täglich) und der Begleitung zum Arzt (zweimal wöchentlich). Darüber hinaus bestehe Hilfebedarf im gesamten Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Er bejahte das Vorliegen von erheblicher Pflegebedürftigkeit nach Stufe I (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB XI). Mit Bescheid vom 06.06.1995 bewilligte die Beklagte dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 01.04.1995.
Mit seinem Widerspruch verlangte der Kläger die Einstufung in die Pflegestufe II. Er wies darauf hin, daß nach dem Gutachten des MDK neben der Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung ein täglicher Hilfebedarf bei mehr als zwei Verrichtungen im Bereich der Grundpflege bestehe. Er machte ferner geltend, daß er nachts nicht ohne Aufsicht schlafen könne, da die Möglichkeit einer Entgleisung des Diabetes bestehe und er dann sofortige fremde Hilfe benötige. Bei der Zubereitung der Speisen müsse beachtet werden, daß er aufgrund seines Diabetes mellitus eine Diät einhalten müsse; dabei sei insbesondere auf das Gewicht der Speisen zu achten. Seine Pflegeperson müsse darüber hinaus das täglich während der Arbeit benötige Essen diätgerecht verpacken. Er benötige die Pflegeperson für die Ausübung seines Berufes, darüber hinaus sei ihre Anwesenheit für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben unabdingbar. Ergänzend trug er vor, daß bei der Verrichtung der Notdurft bei bekannten Toiletten lediglich eine Kontrolle der Sauberkeit der Toilette nach der Verrichtung erforderlich sei; bei unbekannten Toilettenanlagen sei jedoch Hilfe für die gesamte Verrichtung notwendig. In einer Stellungnahme vom 21.11.1995 wies Dr. A. vom MDK darauf hin, daß der vom Kläger angegebene Hilfebedarf im Gutachten berücksichtigt worden sei. Die Diabetesdiät gehöre zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Nicht berücksichtigt werden könne die Begleitung zur Arbeit sowie eine allgemeine Beaufsichtigung, die über die Sicherung der im Gesetz definierten täglichen Verrichtungen hinausgehe. Im Bereich der Grundpflege bestehe ein Hilfebedarf beim Zurechtlegen von Dingen, z. B. Waschutensilien, Zahnpasta dosieren, Kleidung heraussuchen sowie in der Kontrolle von Kleidung und "Wascherfolg". Aktive Hilfen seien sicherlich nötig für das Rasieren und Kämmen, die Reinigung des Zahnersatzes sowie die mundgerechte Zubereitung der Nahrung. Mehr als maximal 30 bis 45 Minuten für jeden dieser beiden Bereiche seien aber nicht zu veranschlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung seiner am 23.04.1996 erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage der tägliche Pflegebedarf mindestens 3 Stunden. Zu der Pflegezeit zähle auch die Zeit, die auf die Hilfen beim An- und Ausziehen auf der Arbeitsstelle sowie die berufsbedingte Körperreinigung entfalle. Tagsüber sei die Bereitschaft der Pflegeperson erforderlich, da aufgrund seiner körperlich anstrengenden Arbeit die Gefahr einer Unterzuckerung bestehe und in diesem Fall seine Ehefrau von den Kollegen gerufen werde, um eine Hinzuziehung eines Notarztes oder eine notfallmäßige Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.
Das Sozialgericht hat nach Einholung eines Befundberichtes von dem behandelnden Arzt Dr. J. ein Gutachten von der Pflegefachkraft O. eingeholt. Auf das Gutachten vom 31.10.1996 und die ergänzende Stellungnahme vom 18.02.1997 wird Bezug genommen. Mit Urteil vom 18.04.1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da auch nach dem Gutachten der Sachverständigen O. im Bereich der Grundpflege nur ein Pflegebedarf von durchschnittlich 110 Minuten pro Tag bestehe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
Der Kläger trägt im Berufungsverfahren vor, da eine Leistung ab 01.04.1995 streitig sei, müsse § 15 Abs. 3 SGB XI in der seinerzeit geltenden Fassung angewand...