Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nachweis der Hilfebedürftigkeit. Anforderungen an die Mitwirkungsaufforderung und Hinweispflichten des Grundsicherungsträgers. Vorlage von Unterlagen zur Erbschaft und deren Höhe. Leistungsversagung bei Verletzung der Mitwirkungspflicht. Ermessensausübung

 

Orientierungssatz

1. Wer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beantragt, hat seine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB 2 nachzuweisen und die zu deren Feststellung erforderlichen Tatsachen nach §§ 60 ff SGB 1 anzugeben. Ist der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 62, 65 SGB 1 nicht nachgekommen und sind dadurch die Voraussetzungen der Leistungsgewährung nicht nachgewiesen, so dürfen die beantragten Leistungen nach § 66 SGB 1 versagt werden, wenn der Leistungsberechtigte gemäß § 66 Abs 3 SGB 1 auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist.

2. Voraussetzung hierzu ist, dass der Grundsicherungsträger in seiner Mitwirkungsaufforderung hinreichend ausführlich und verständlich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen hat.

3. Ist die Entscheidung des Grundsicherungsträgers über die Versagung der beantragten Leistung mit einer einzelfallbezogenen Begründung versehen, so ist sie ermessensfehlerfrei im Sinne von § 39 Abs 1 S 1 SGB 1.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.05.2022; Aktenzeichen B 4 AS 40/22 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 22.02.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen fehlender Mitwirkung ab dem 01.02.2012.

Der am 1958 geborene Kläger bezog vom Beklagten seit 01.01.2005 laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Seine Mutter, in deren Haus er (kostenpflichtig) wohnte und die ihn mit einem Vermächtnis (i.H.v. 50 % des Nachlasswertes) bedacht hatte, verstarb am 00.04.2011. Erbin nach der Mutter wurde die Schwester des Klägers. Dies war dem Beklagten zunächst nicht bekannt.

Am 29.07.2011 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.08.2011 und erklärte, dass in seinen persönlichen Verhältnissen keine Änderungen eingetreten seien.

Nachdem dem Beklagten der Tod der Mutter des Klägers bekannt geworden war, forderte er den Kläger mit Schreiben vom 03.08.2011 zur Mitwirkung durch Vorlage der Anlagen "EK" und "VM" sowie einer aktuellen Erklärung über die Kosten der Unterkunft und Heizung auf. Der Kläger möge zudem mitteilen, wer neuer Eigentümer/Vermieter nach dem Tod der Mutter geworden sei.

Der Kläger teilte daraufhin mit, dass der neue Hauseigentümer/Vermieter noch nicht bestimmt sei und im Übrigen Kosten wie bisher entstünden. Eventuell werde ein Umzug in die Wohnung der Mutter erfolgen. In der Anlage "VM" vom 12.08.2011 gab er an, dass er nicht über Vermögen verfüge.

Mit weiterem Schreiben vom 26.08.2011 forderte der Beklagte den Kläger auf mitzuteilen, ob er den Vermächtnisanspruch bereits geltend gemacht habe. Ansonsten werde er dazu aufgefordert und möge mitteilen, wie hoch der Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls gewesen sei.

Daraufhin teilte der Kläger unter dem 12.09.2011 mit, das Vermächtnis solle laut Verfügung seiner Mutter am 25.10.2011 anfallen. Das Vermächtnis sei dem Umfang nach größer als das nach dem Gesetz abzusetzende Vermögen.

Auf die Nachfrage des Beklagten, ob damit auf den Leistungsanspruch verzichtet werde, bzw. Aufforderung, Unterlagen über die Höhe des Erbes vorzulegen, teilte der Kläger mit, er beabsichtige nicht, auf die Leistungen zu verzichten.

Mit Schreiben vom 07.10.2011 erinnerte der Beklagte an die Einreichung von Unterlagen über die Höhe des Erbes unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).

Dem Kläger wurden schließlich noch einmal Leistungen für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 31.01.2012 bewilligt.

Am 01.02.2012 beantragte der Kläger (zunächst formlos) erneut die Weiterbewilligung von Leistungen bei dem Beklagten. Aufgrund eines Wohnungswechsels (im selben Haus) werde er noch fehlende Unterlagen später nachreichen.

Unter dem 22.02.2012 forderte der Beklagte den Kläger auf, das Formblatt zur Weiterbewilligung von Leistungen sowie "Unterlagen" über "Höhe und Form des Erbes" bis zum 07.03.2012 vorzulegen. Mit Schreiben vom 08.03.2012 erinnerte der Beklagte an die Einreichung des Antragsformulars sowie die "Unterlagen über Ihr Erbe Höhe und Form (Geldanlage, Sachwerte)", (erneut) unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 60 SGB I und Fristverlängerung bis zum 23.03.2012. Der Kläger bat um weitere Fristverlängerung, die ihm mit Schreiben des Beklagten vom 12.03.2012 (bis zum 06.04.2012) gewährt wurde. Unterlagen/Nachweise zum Vermächtnisanspruch des Klägers gingen nachfolgend bei dem Bekla...

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