Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Neubewertung von Schul- und Berufsausbildungszeiten durch das WFG
Orientierungssatz
1. Die ab 1.1.1997 durch das WFG eingeführten Rentenberechnungsvorschriften - insbesondere die verminderte Bewertung von Schul- und Berufsausbildungszeiten - sind nicht verfassungswidrig.
2. Der Senat schließt sich auch hinsichtlich der durch das WFG eingetretenen Kürzung von Rentenanwartschaften der Entscheidung des BSG vom 18.4.1996 - 4 RA 36/94 = BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1 - zur Verfassungsmäßigkeit der Bewertung beitragsfreier Zeiten nach dem RRG 1992 - an.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte die Altersrente des Klägers zu Recht unter Berücksichtigung der am 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) berechnet hat.
Der am ......1937 geborene Kläger beantragte am 26.03.1997 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und vorhergehender Arbeitslosigkeit. Mit Bescheid vom 27.05.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.02.1997 Altersrente gemäß § 38 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 2.756,07 DM (Stand Juli 1997). Gegen diesen Rentenbescheid erhob der Kläger am 12.06.1997 Widerspruch und machte zur Begründung geltend, die auf der zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Gesetzesänderung beruhende verminderte Anrechnung der Schul- und Ausbildungszeiten führe bei ihm zu einer Rentenminderung in Höhe von 40,89 DM. Bei der einvernehmlichen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 1993 habe er darauf vertraut, daß die damals bestehenden rentenrechtlichen Vorschriften erhalten blieben. In der vom Gesetzgeber "überfallartig durchgezogenen" Gesetzesänderung vermisse er eine Vertrauensschutzregelung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch i. w. mit der Begründung zurück, die Rentenberechnung entspreche den ab 01.01.1997 geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Regelungen des WFG (BGBl. I S. 1416). Nach der (im Widerspruchsbescheid aufgeführten) bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts seien die mit dem WFG eingeführten Rechtsänderungen als verfassungskonform anzusehen.
Dagegen hat der Kläger am 14.11.1997 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die ab 01.01.1997 geltende gesetzliche Neuregelung sei nach seiner Auffassung verfassungswidrig, da das im Grundgesetz verbriefte Eigentumsrecht absolut mißachtet werde. Weiter hat er nochmals vorgetragen, bei Auflösung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 1993 habe er auf den Fortbestand der damals geltenden rentenrechtlichen Vorschriften vertraut.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1997 zu verurteilen, ihm ab 01.02.1997 Altersrente nach Maßgabe der bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Mit Urteil vom 19.05.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung i. w. ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Berechnung seiner am 01.02.1997 beginnenden Rente nach Maßgabe der bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften. Maßgebend für die Berechnung der Rente seien die zum Zeitpunkt ihres Beginns maßgebenden gesetzlichen Vorschriften. Die Beklagte habe das am 01.01.1997 geltende Recht zutreffend angewandt. Insoweit würden vom Kläger auch keine Einwände erhoben.
Die ab 01.01.1997 geltenden Berechnungsvorschriften seien auch nicht verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber hinsichtlich der Bewertung von Schul- und Berufsausbildungszeiten vorgenommenen Änderungen stellten keinen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum (Art. 14 Grundgesetz - GG -) dar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei vielmehr gewahrt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das am 17.06.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.06.1998 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er ist weiterhin der Auffassung, die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Neuregelungen seien verfassungswidrig und verstießen insbesondere gegen den Eigentumsschutz nach Art. 14 GG. Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 30.09.1998 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.05.1998 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidung...