Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Auskunftserteilung über Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei übergeleitetem Anspruch auf Geschiedenenunterhalt
Orientierungssatz
1. Die Verpflichtung eines einem Leistungsbezieher Unterhaltspflichtigen aus § 60 Abs. 2 SGB 2, dem Leistungsträger auf Verlangen Auskunft über Einkommen und Vermögen zu erteilen, gilt auch für die Verpflichtung zum Geschiedenenunterhalt gem. § 1569 BGB.
2. Die Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 2 SGB 2 besteht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann nicht, wenn der Unterhaltsanspruch offensichtlich nicht besteht (Negativevidenz).
3. Die Verpflichtung zur Erteilung von Auskunft über die Vermögensverhältnisse nach § 60 Abs. 2 SGB 2 schließt die Erteilung von Nachweisen nicht ein, da § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB, auf den § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB 2 verweist, die Verpflichtung zur Erteilung von Belegen auf die Höhe der Einkünfte beschränkt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.06.2006 teilweise geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 wird aufgehoben, soweit die Beklagte den Kläger verpflichtet hat, Nachweise über seine Vermögensverhältnisse vorzulegen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger trägt drei Viertel, die Beklagte ein Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger der Beklagten Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen und hierüber Belege vorlegen muss.
Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Zeugin D G, die von der Beklagten seit dem 01.01.2005 fortlaufend Arbeitslosengeld II bezieht. Die am 00.00.1989 geschlossene Ehe, aus der der am 00.00.1990 geborene Sohn T hervorgegangen ist, wurde am 00.00.2003 geschieden (AG Gelsenkirchen-Buer, 15 F 152/02). Die Beklagte forderte den Kläger auf, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen und hierüber Nachweise vorzulegen (Bescheid vom 04.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005). Einen etwaigen Unterhaltsanspruch der Zeugin gegen den Kläger leitete sie auf sich über (Bescheid vom 20.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2006).
Mit der gegen die Verpflichtung zur Auskunftserteilung erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es stehe fest, dass er seiner geschiedenen Ehefrau nicht zum Unterhalt verpflichtet sei. Schon mit Beschluss vom 16.07.2002 sei ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht über seinen Sohn T übertragen worden, für dessen Unterhalt er allein aufkomme. Die Zeugin G lebe zudem seit vier Jahren eheähnlich mit dem Zeugen L zusammen. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch sei daher verwirkt.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat nach Vernehmung der Zeugin G und des Zeugen L die Klage abgewiesen und entschieden, dass außergerichtliche Kosten des Klägers nicht zu erstatten seien (Urteil vom 19.05.2006). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Kläger der Zeugin G unterhaltspflichtig und ein etwaiger Unterhaltsanspruch insbesondere nicht nach § 1579 Nr. 7 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen sei.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.06.2006 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten, die die Zeugin G betreffende Leistungsakte sowie die Verfahrensakten 15 F 5/02 und 15 F 152/02 AG Gelsenkirchen-Buer beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, soweit die Beklagte den Kläger aufgefordert hat, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen und Nachweise über seine Einkommensverhältnisse vorzulegen. Demgegenüber ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und dementsprechend aufzuheben, soweit die Beklagte den Kläger auch verpflichtet hat, Nachweise über seine Vermögensverhältnisse vorzulegen.
Für die Aufforderung zur Auskunfterteilung sowie zur Vorlage von Einkommensnachweisen kann sich die Beklagte auf § 60 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stützen. Nach dieser Vorschrift haben Personen, die einem Leistungsbezieher nach dem SGB II zu Leistungen verpflichtet sind, die geeignet sind, die Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, dem Leistungsträger auf Verlang...