Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Zahlung von Pflichtbeiträgen bei Insolvenzereignis. rückständige Sozialversicherungsbeiträge müssen auf maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen. keine Geltendmachung von Beitragsrückständen im weiteren Insolvenzverfahren bei fortdauernder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners/Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge müssen auf den nach § 183 Abs 1 S 1 SGB 3 aF (jetzt § 165 Abs 1 SGB 3) maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen. Der Anspruch bezieht sich auf Beiträge für solche Arbeitsentgelte, die im Fall eines Rückstandes einen Insolvenzgeldanspruch des betreffenden Arbeitnehmers auslösen.
2. In einem weiteren Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs 2 InsO freigegebenes Vermögen können keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge von der Einzugsstelle geltend gemacht werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, auf der die Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens beruht, ununterbrochen fortgedauert hat.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.09.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als zuständige Einzugsstelle die Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen bei Insolvenzereignis gem. § 208 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung (SGB III a. F.). Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob in einem Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) freigegebenes Vermögen Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend gemacht werden können, oder ob dies aufgrund einer Sperrwirkung des vorangegangenen Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.
Der Beigeladene zu 2) betrieb unter der Firma L.-Q. ein Frühstückscafé in der O.straße 00 in T. Die Beigeladene zu 1) war dort seit dem 16.03.2005 geringfügig beschäftigt mit einem monatlichen Gehalt von 400,- Euro und wurde bei der Klägerin als Minijob-Zentrale angemeldet. Auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beigeladenen zu 3) hatte die Beigeladene zu 1) verzichtet. Für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 erhielt die Beigeladene zu 1) kein Arbeitsentgelt.
Auf einen Eigenantrag des Beigeladenen zu 2) hin, der u.a. seinen Pflichten zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachgekommen war, eröffnete das Amtsgericht C (Az.: 47 IN 00/00) am 21.08.2008 über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt C. aus N. zum Insolvenzverwalter. Am 25.08.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO die Freigabe des Geschäftsbetriebes und zeigte dies gegenüber dem Amtsgericht C an. Der Beigeladene zu 2) betrieb daraufhin sein Unternehmen weiter. Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) wurde ohne Unterbrechung fortgesetzt.
Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) gewährte die Beklagte dieser für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 Insolvenzgeld. Darüber hinaus zahlte die Beklagte die im Zeitraum vom 21.05.2008 bis zum 20.08.2008 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) angefallenen und rückständig gebliebenen Beiträge in Höhe von 394,45 Euro an die Klägerin (Bescheid vom 19.08.2009).
In der Folgezeit kam der Beigeladene zu 2) weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen u.a. gegenüber Klägerin nicht nach. Zum 31.12.2010 stellte er seinen Geschäftsbetrieb endgültig ein und beendete das Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1). Den daraufhin von der Klägerin gestellten weiteren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus der freigegebenen Tätigkeit wies das Amtsgericht C mit Beschluss vom 05.05.2011 (Az.: 47 IN xx/xx) mangels Masse ab.
In dem ersten Insolvenzverfahren (Az.: 47 IN 00/00) ordnete das Amtsgericht C mit Beschluss vom 10.5.2011 an, dass dem Beigeladenen zu 2) Restschuldbefreiung erteilt wird, wenn er während der sog. Wohlverhaltensperiode die insolvenzrechtlichen Obliegenheiten erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor versagt wird. Mit Beschluss vom 11.07.2011 hob es das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO auf, da die Schlussverteilung vollzogen sei. Bei der Schlussverteilung hatte sich Insolvenzvermögen von 0,- Euro ergeben.
Am 17.05.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen nach § 208 SGB III a. F. für die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008 in Höhe von 394,80 Euro.
Mit Bescheid vom 01.06.2011, der der Klägerin am 08.06.2011 bekanntgegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zahlung der geltend gemachten Pflichtbeiträge mit der Begründung ab, bereits aufgrund der Insolvenzeröffnung am 21....