Entscheidungsstichwort (Thema)
Vererbung eines Anspruchs auf Sozialhilfeleistungen bei darlehensweiser Vorleistung des Erben
Orientierungssatz
1. Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen haben einen höchstpersönlichen Charakter und gehen damit grundsätzlich mit dem Tod des Hilfebedürftigen unter. Dies gilt dann nicht, wenn der Hilfebedürftige seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe darlehensweise vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat, vg. BVerwG, Urteil vom 05. Mai 1994 - 5 C 43/91.
2. Eine bedarfsmindernde Berücksichtigung von Zuwendungen kommt nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB 12 nur dann in Betracht, wenn diese von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB 12 erbracht werden. Infolgedessen ist das einem Hilfebedürftigen kostenlos in einer Werkstätte für behinderte Menschen kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagessen nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Leistungen nach dem SGB 12 sind nach § 82 Abs. 1 S. 1 SGB 12 von dem Einkommensbegriff ausdrücklich ausgenommen.
3. Damit ist dem Hilfebedürftigen kostenlos gewährtes Mittagessen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dieses Ergebnis kann nicht durch einen Rückgriff auf die Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB 12 konterkariert werden.
4. Solche Zuwendungen können auch nicht durch den Nachranggrundsatz des § 2 SGB 12 anspruchvernichtend berücksichtigt werden. Die Vorschriften über den Nachrang der Sozialhilfe stellen regelmäßig keine eigenständigen Ausschlussnormen dar, sondern lassen erst im Zusammenhang mit konkretisierenden Vorschriften des SGB 12 die Bedürftigkeit verneinen, vgl. BSG, Urteil vom 02. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R.
5. Hatte der Leistungsempfänger seinen Bedarf mit der Hilfe seiner Erben tatsächlich gedeckt und haben diese im Vertrauen auf eine spätere Bewilligung von Sozialhilfe darlehensweise vorgeleistet, so sind sie als Erben gegenüber dem Sozialhilfeträger anspruchsberechtigt, wenn der Leistungsempfänger im Zeitpunkt seines Todes Schulden gehabt hat, vgl. BVerwG, Urteil vom 05. Mai 1994 - 5 C 43/91.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 05.07.2011 geändert. Der Bescheid vom 27.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte befugt war, die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.02.2009 bis zum 30.11.2009 aufzuheben.
Der am 00.00.1940 geborene und am 00.00.2012 verstorbene Herr X (im Folgenden: Leistungsempfänger) bezog von der Beklagten seit dem 01.12.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Die Kläger sind als seine gesetzlichen Erben seine Rechtsnachfolger. Die Klägerin zu 1) ist seine Ehefrau, die Klägerin zu 2) ihre gemeinsame Tochter und der Kläger zu 3) ihr gemeinsamer Sohn.
Die am 00.00.1947 geborene Klägerin zu 1) bezog ursprünglich Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit dem 01.02.2008 bezieht sie eine Altersrente für Frauen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, deren monatlicher Zahlbetrag ursprünglich 818,10 EUR, seit dem 01.07.2008 817,10 EUR und seit dem 01.07.2009 839,69 EUR betrug.
Der Leistungsempfänger und die Klägerin zu 1) bewohnten seit dem 01.01.2004 als Mieter eine Wohnung in einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 130 qm. Eigentümer dieses Haus war ursprünglich der Leistungsempfänger. Nach einer Insolvenz des früheren Unternehmens des Leistungsempfängers im Jahr 2003 erwarben die Klägerin zu 2) und ihr Ehemann das Eigentum an der Immobilie im Rahmen einer Zwangsversteigerung. Die vereinbarte monatliche Kalt-Miete des Leistungsempfängers und der Klägerin zu 1) betrug anfangs 400 EUR und wurde zum 01.03.2008 auf 500 EUR erhöht.
Mit Bescheid vom 17.11.2008 hatte die Beklagte dem Leistungsempfänger Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Dezember 2008 bis November 2009 in Höhe von 260,86 EUR monatlich bewilligt. Hinsichtlich der Leistungsberechnung wird auf Blatt 314 bis 317 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Die Beklagte hatte in der Vergangenheit und seit dem 01.03.2008 nur angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 351 EUR zuzüglich Heizkosten von 99,60 EUR monatlich berücksichtigt. Zur Klärung, wie eine von der Beklagten angenommene monatliche Unterdeckung von 211,40 EUR vom Leistungsempfänger aufgefangen werde, hatte die Beklagte den Leistungsempfänger zur Mitwirkung aufgefordert. Nachdem dieser Kontoauszüge vorgelegt und verschiedene Erklärungen abgegeben hatte, kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass aus den Unterlagen nicht nachvollziehbar sei, wie der Bedarf gedeckt werde.
Nach Anhörungsschreiben vom 21.01.2009 hob die Beklagte die Bewilligung der Sozialhilfeleistungen mit Besche...