Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Ermessens des Grundsicherungsträgers bei der Auszahlung von Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 42 Abs. 3 S. 1 SGB 2 werden Geldleistungen der Grundsicherung auf das im Antrag des Hilfebedürftigen angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen. Die Übermittlung der Geldleistung erfolgt durch Zustellung entweder als Zahlungsanweisung zur Postbarzahlung oder einer Zahlungsanweisung zur unbaren Verrechnung.

2. Der Grundsicherungsträger handelt ermessensfehlerfrei, wenn er die Leistung postbar übermittelt.

3. Das Gesetz sieht für den Regelfall die "Übermittlung" der Geldleistung vor. Macht der Leistungsträger ausnahmsweise von dem Barscheck-Verfahren Gebrauch, so ist diese Vorgehensweise von dem ihm eingeräumten Ermessen gedeckt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.7.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch in dem Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger zunächst die Barauszahlung von SGB II-Leistungen an seinem Wohnort, etwa durch Mitarbeiter des Ordnungsdienstes oder der Polizei. Daneben begehrt er die Klärung zahlreicher weiterer Fragen.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger leistete vom 1.4.1986 bis zum 31.5.1998 Dienst bei der Bundeswehr als Soldat auf Zeit. In dieser Zeit war er an Auslandseinsätzen beteiligt. Während eines Einsatzes im Oktober 1993 in Kambodscha wurde ein deutscher Feldwebel im Verantwortungsbereich des Klägers niedergeschossen. Auf diesen Vorfall führt der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung zurück und leitet daraus vielfältige Einschränkungen, auch bei seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ab. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung war der Kläger in stationärer Behandlung vom 16.1.2007 bis zum 13.3.2007.

Der Kläger stritt und streitet in zahlreichen Verfahren darum, wie eine medizinische Begutachtung erfolgen kann. Er selbst hält diese für erforderlich, sah sich in der Vergangenheit aber zugleich verpflichtet, zuvor eine Aussagegenehmigung wegen der Details seiner Auslandseinsätze einzuholen (siehe etwa die Verfahren Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 1 K 4790/11 - sowie LSG Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 836/11 -). Wäre eine solche Untersuchung inzwischen erfolgt, wäre er entweder in Arbeit oder würde eine Pension der Bundeswehr erhalten.

Der Kläger steht bei der Beklagten laufend im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Vergangenheit wurden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, Heiz- und die damit verbundenen Stromkosten auf ein Girokonto der Mutter des Klägers und die Mietkosten direkt an den Vermieter überwiesen. Die Mutter des Klägers teilte mit Schreiben vom 30.6.2020 mit, dass sie ihr Konto nicht mehr zur Verfügung stelle. Hintergrund war - nach den Ausführungen in dem Schreiben - dass sie das Konto nur vor einer Zusage der Beklagten zur Verfügung gestellt habe, dass ihre Kontoauszüge niemals angefordert würden. Dies sei allerdings im Februar 2020 durch die Beklagte geschehen. Sie bezog sich dabei auf ein Schreiben der Beklagten vom 20.2.2020, gerichtet an den Kläger.

Mit Schreiben vom 3.7.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die bereits bewilligten SGB II-Leistungen vor Ort durch einen Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes hilfsweise durch Polizeibeamte am Auszahlungstag in bar bereitzustellen. Er habe seit dem 27.2.2020 ein Hausverbot bei der Beklagten. Wegen seiner posttraumatischen Belastungsstörung dürfe er keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und "ohne qualifizierte Begleitperson" keine Wegstrecken über drei Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Wörtlich heißt es: "Aus den geschilderten Umständen beantrage ich deshalb, mir die bereits bewilligten Leistungen hier vor Ort durch einen Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) der Stadt Herten oder hilfsweise durch Polizeibeamte am Auszahlungstag in bar bereitzustellen. Alternativ wäre ich auch mit der Auszahlung der Leistungen in der hier im Haus befindlichen Postfiliale einverstanden."

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 7.7.2020 auf, die Einrichtung eines Kontos bei einem Bankinstitut zu beantragen. Sie setzte eine Frist bis zum 31.7.2020. In diesem Schreiben wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ohne Konto lediglich die Möglichkeit bestehen würde, die Geldleistungen postbar in Form einer Zahlungsanweisung zur Verrechnung zu übermitteln. Diese Zahlungsanweisung sei jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden, welche der Leistungsempfänger tragen müsse. Dies gelte allerdings nicht, wenn es dem Leistungsempfänger ohne eigenes Verschulden nicht möglich sei, ein Konto einzurichten.

Der Kläger wandte schriftlich unter anderem ein, aufgrund seiner posttraumatischen Belastungsstörung könne er nicht die Räume einer Bankfiliale aufsuchen, ohne dass es zu einem med...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge