Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Urteils wegen Rubrumsänderung aufgrund eines zu Unrecht angenommenen Parteiwechsels
Orientierungssatz
1. Das Landessozialgericht kann durch Urteil eine angefochtene Entscheidung nach § 159 Abs. 1 SGG aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
2. Diese Voraussetzung liegt u. a. dann vor, wenn das Sozialgericht ohne Anhörung der Beteiligten fälschlicherweise einen Parteiwechsel kraft Gesetzes angenommen und durch Beschluss ohne vorherige Anhörung der Beteiligten das Rubrum entsprechend geändert hat.
3. Die faktische Entfernung des richtigen Beteiligten aus dem Verfahren stellt einen schweren Verfahrensfehler dar, der die Abwicklung des Prozessrechtsverhältnisses unter den ursprünglichen Beteiligten unterbricht und somit seinem ordnungsgemäßen Abschluss entgegensteht.
4. Das ergangene Urteil ist nichtig. Es ist zwar nicht der materiellen, aber der formellen Rechtskraft fähig. Es kann infolgedessen mit der Berufung angefochten werden, stellt aber keine Entscheidung in der Sache dar.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.09.2010 aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.02.2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufungsverfahren - an das Sozialgericht Dortmund zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte Zahlungen i.H.v. insgesamt 106.071,59 Euro, die aufgrund eines Schuldanerkenntnisses erfolgt sind, zurückzuzahlen hat.
Der 1954 geborene Kläger zu 2) (im Folgenden: Kläger) erhielt unter dem 07.01.1997 seitens der Beklagten die Zulassung, Versicherte mit orthopädischen Schuhzurichtungen und Schuhreparaturen zu versorgen. Grundlage dieser Zulassung war eine Ausnahmebewilligung der Bezirksregierung Arnsberg gemäß § 8 der Handwerksordnung. Die Zulassung der Beklagten war zunächst befristet bis zum 30.09.1997. In der Folgezeit wurde diese Befristung mehrfach verlängert. Nachdem der Kläger unter dem 20.12.1999 die Meisterprüfung im Orthopädieschuhmacherhandwerk bestanden hatte und entsprechend in die Handwerksrolle eingetragen worden war, ließ ihn die Beklagte mit Wirkung vom 23.12.1999 für die Anfertigung, Instandsetzung und Abgabe von orthopädieschuhtechnischen Hilfsmitteln für ihre Versicherten zu. Neben dem Hauptbetrieb in I erhielt der Kläger unter dem 22.05.2001 noch eine Zulassungserweiterung für einen Filialbetrieb in M.
Am 20.05.2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und am 21.05.2008 wurde der Geschäftsbetrieb gemäß § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Seit September 2008 ist die Klägerin zu 1) (im Folgenden: Klägerin) Inhaberin der Firma Orthopädie Schuhtechnik O. Betriebsleiter am Betriebssitz in M ist der Orthopädieschuhmachermeister L und Betriebsleiter am Betriebssitz in I ist der Kläger. Ausweislich des zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter geschlossenen Mietvertrages mietete sie sämtliche der Insolvenzmasse zugehörigen und zum Geschäftsbetrieb der Orthopädieschuhtechnik O notwendigen Gegenstände.
Nachdem der Beklagten erhebliche Ausgabensteigerungen für orthopädieschuhtechnische Leistungen aufgefallen waren, für die der Kläger als mit verantwortlich angesehen wurde, da er im Vergleich zu anderen Orthopädieschuhmachern deutlich höhere Kosten verursache, ermittelte die Beklagte für die Zeit von 1997 bis Juni 2001 mit ihr vom Kläger insgesamt abgerechnete Kosten i.H.v. 652.296,99 DM für 961 Behandlungsfälle. Verglichen mit den durchschnittlichen Fallwerten für entsprechende Versorgungen stellte die Beklagte einen Schaden durch zu hohe Abrechnungen i.H.v. 438.707,40 DM fest. Außerdem überprüfte die Beklagte 18 Versorgungsfälle und gelangte zu dem Ergebnis, es lägen zahlreiche Beanstandungen vor, wobei die Versorgungen nicht den Abrechnungen entsprächen und teilweise auch Mängel vorlägen. Von den für die überprüften Versorgungen in Rechnung gestellten 41.930,92 DM seien 14.395,42 DM zu Unrecht abgerechnet worden.
Aufgrund dieser Ermittlungen kam es am 20.07.2001 zu einer Unterredung der Beklagten mit dem Kläger. An dem Gespräch nahmen neben dem Kläger die Klägerin sowie vier Mitarbeiter der Beklagten teil. Der Kläger unterzeichnete folgende Erklärung:
1. Hiermit erkenne ich an, bei Versicherten der AOK Märkischer Kreis in zahlreichen Fällen Versorgungen von orthopädischen Maßschuhen und Zurichtungen an Konfektionsschuhen abgegeben zu haben, die den ärztlichen Verordnungen nicht entsprachen.
2. Außerdem wurden in einer Vielzahl von Fällen Kostenvoranschläge und Abrechnungen über die Versorgungen mit der AOK vorgenommen, die den Leistungen nicht entsprachen. Den daraus entstandenen Schaden i.H.v. 184.000,- DM bin ich ber...