Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Entstehens von Versicherungsfreiheit nach bestehender Versicherungspflicht
Orientierungssatz
1. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6 Abs. 4 SGB 4 ist es, nach Bestehen von Versicherungspflicht Beitragsfreiheit erst dann eintreten zu lassen, wenn das Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze von Dauer ist. Dementsprechend verlangt die Versicherungsfreiheit das Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze sowohl im laufenden Kalenderjahr als auch im Folgejahr, vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 1997 - 12 KR 51/96.
2. Zur Vermeidung von Unsicherheiten ist Versicherungspflicht bis zum Jahresende auch dann hinzunehmen, wenn schon im Zeitpunkt des Überschreitens der Grenze alles dafür spricht, dass selbst eine sehr hoch geschätzte Jahresarbeitsverdienstgrenze des Folgejahres überschritten sein wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit kommt es auch nicht darauf an, ob innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses das Übersteigen der Jahresarbeitsverdienstgrenze mit einem beruflichen Aufstieg oder der Übernahme einer neuen Aufgabe verbunden ist.
3. Die unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten mit einer Gehaltserhöhung im laufenden Arbeitsverhältnis gegenüber den Beschäftigten mit Gehaltserhöhung in Verbindung mit einem Arbeitgeberwechsel verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.08.2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.775,90 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), ob die Klägerin Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und sozialen Pflegeversicherung (PV) für das Jahr 2006 für den Beigeladenen zu 3) in Höhe von 6.775,90 Euro zu zahlen hat.
Der Beigeladene zu 3) ist seit 2001 bei der Klägerin beschäftigt. Am 6.12.2005 vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene zu 3) mit Wirkung zum 1.1.2006 ein monatliches Bruttoentgelt von 3.938,00 Euro. Neben diesem monatlichen Gehalt stellte die Klägerin dem Beigeladenen zu 3) einen Dienstwagen zur Verfügung, welchen sie mit einem weiteren Betrag von monatlich 378,00 Euro abrechnete.
Nach der Betriebsprüfung für den Zeitraum vorn 1.1.2005 bis zum 31.12.2008 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 27.8.2009 gegenüber der Klägerin eine Nachforderung zur gesetzlichen KV und sozialen PV in Höhe von 6.775,90 Euro, zu zahlen an die Einzugsstelle, fest. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene zu 3) sei zwar ab dem 1.1.2007 versicherungsfrei, für das Jahr 2006 habe jedoch noch Versicherungspflicht in der KV und PV bestanden. Mit dem Gehalt für Januar 2006 habe der Beigeladene zu 3) erstmalig die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) überschritten. Gem. § 6 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) trete die Versicherungsfreiheit erst mit Beginn des Folgejahres ein, da auch ab diesem Zeitpunkt die geltende Grenze überschritten worden sei.
Die Klägerin erhob am 25.9.2009 gegen den vorgenannten Bescheid Widerspruch, den sie damit begründete, dass der Beigeladene zu 3) mit dem Gehalt für Januar 2006 erstmalig die geltende JAE-Grenze überschritten habe. Es sei jedoch von einer Versicherungsfreiheit bereits ab diesem Zeitpunkt auszugehen. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V seien Arbeitnehmer versicherungsfrei, deren regelmäßiges Arbeitsentgelt die JAE-Grenze übersteige. Diese Voraussetzung erfülle der Beigeladene zu 3). § 6 Abs. 4 SGB V sei demgegenüber eine Ausnahmevorschrift, welche einen kurzfristigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden solle. Mit dieser Vorschrift werde die Versicherungsfreiheit auf das Jahresende hinausgeschoben, um dann feststellen zu können, ob die Grenze überschritten worden sei und voraussichtlich im nächsten Jahr wieder überschritten werde. Bei dem Beigeladenen zu 3) sei jedoch bereits vor dem 1.1.2006 ein grenzüberschreitendes Arbeitsentgelt vereinbart worden, somit sei der Rechtssicherheit genüge getan, da bereits am 1.1.2006 festgestanden habe, dass das JAE über der Grenze liege.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.2.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, grundsätzlich unterlägen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, der Versicherungspflicht in allen Versicherungszweigen der Sozialversicherung. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mache hiervon eine Ausnahme dahingehend, dass bei Überschreiten der JAE-Grenze Versicherungs-freiheit vorliege. § 6 Abs. 4 SGB V, welcher die Versicherungsfreiheit auf das Jahresende verschiebe, stelle hierzu nicht seinerseits eine Ausnahme dar, sondern präzisiere lediglich den Zeitpunkt, z...