Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs psychischer Störungen mit einem Unfallereignis
Orientierungssatz
1. Die vom Versicherten als Folgen eines Arbeitsunfalls geltend gemachten psychischen Störungen sind nicht als Unfallfolgen anzuerkennen, wenn sie nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder teilursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sind.
2. Ergeben sich Hinweise auf eine mögliche psychische Symptomatik erstmals zwei Jahre nach dem Unfallereignis, so spricht ein solcher zeitlicher Abstand gegen eine Wahrscheinlichkeit mit dem Unfallereignis.
3. Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung folgen regelmäßig unmittelbar dem Unfalltrauma, selten dagegen mit einer Latenz bis zu sechs Monaten. Lässt sich eine psychische Symptomatik erstmals nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Arbeitsunfall sichern, so ist ein wahrscheinlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu verneinen.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.07.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wegen des Arbeitsunfalls vom 14.09.1999 Unfallfolgen in rentenberechtigendem Maße verblieben sind und ihr danach eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die 1947 geborene Klägerin war als selbstständige Friseurmeisterin tätig. Am 14.11.2000 erstattete sie bei der Beklagten eine Unfallmeldung. Danach habe sie am 14.09.1999 auf der Rückfahrt von einer Innungsversammlung der Friseur-Innung-O. einen Verkehrsunfall erlitten. Sie sei deshalb in ärztlicher Behandlung wegen HWS-Beschwerden und Absterben der Finger zwei, drei, vier und fünf. Bei dem Unfall prallte die Klägerin mit der linken Vorderseite gegen das rechte hintere Teil eines querstehenden LKWs und schleuderte um den LKW, um nochmals mit ihrem Autoheck in die Reifen des LKWs zu prallen. Nach dem Unfall wurde die Klägerin im Krankenwagen ins H. gebracht. Sie habe Schmerzen in der rechten Schulter, in der HWS, im Kopf, Rücken, in der Brust und Lendenwirbelsäule sowie am linken Knie und der linken Hand und rechten Ellenbogen gespürt. Am Tag nach dem Unfall habe sie gemerkt, dass die rechten Finger zwei, drei, vier und fünf taub seien.
Die Dres. W. berichteten am 16.03.2001, dass die Klägerin am 20.09.1999 über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS, BWS und LWS geklagt habe. Bereits nach einigen Tagen stellten sich Sensibilitätsstörungen im Sinne von Parästhesien, vorwiegend der Finger zwei und drei der rechten Hand, ein. Die Beschwerden dauerten diesbezüglich noch an. Ein Teil der Beschwerden sei sicher durch das Carpaltunnelsyndrom bedingt. Nach Arbeitsunfähigkeit habe ab 18.01.2000 eine stufenweise Eingliederung und Beschäftigung der Klägerin als selbstständige Friseurmeisterin stattgefunden.
Das H. übersandte den Aufnahmebefund vom Unfalltag. Bewusstlosigkeit habe nicht vorgelegen. Es wurde eine Zerrung der HWS sowie eine Knieprellung links und Schürfungen diagnostiziert. Die Klägerin sei kreislaufstabil und neurologisch unauffällig gewesen. Es wurde eine radiologische Kontrolle u.a. des Schädels durchgeführt, wobei kein Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung gefunden wurde. Eine stationäre Behandlung oder die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit erfolgte nicht. Im November 2000 wurde die Klägerin von der Ärztin für Neurologie Dr. B. untersucht. Diese diagnostizierte ein Engpasssyndrom des N. medianus und des N. ulnaris im Bereich des rechten Handgelenkes. Diese Beschwerden seien unfallunabhängig.
Am 12.12.2000 wurde ein MRT der HWS durchgeführt. Es zeigte lediglich leichte degenerative Veränderungen mit geringen Protrusionen der Bandscheiben C3/C4 und C5/C6. Der Dr. W. stellte am 20.12.2000 neben Myogelosen im Nackenbereich ein rechtsbetontes Carpaltunnelsyndrom fest. Auch Dr. S. von der Unfallklinik M. diagnostizierte ein CTS rechts und eine Einengung des N. ulnaris.
Die Beklagte holte ein chirurgisch-orthopädisches Hauptgutachten von Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M., und ein nervenärztliches Zusatzgutachten von Dr. N., Chefarzt der Neurologischen Abteilung, ein. Dr. N. wies darauf hin, dass am Unfalltag die Halswirbelsäule frei beweglich war, auch wenn in diesem Bereich Schmerzen geklagt wurden. Des Weiteren seien keine Schluckstörungen erwähnt. Bei kritischer Würdigung könne von einer Halswirbelsäulendistorsion maximal vom Grad I ausgegangen werden. Ein traumatischer Bandscheibenschaden sei auszuschließen. Das stark rechts betonte Carpaltunnelsyndrom sei Ursache der intermittierend auftretenden Sensibilitätsstörungen vorwiegend an der rechten Hand. Dies stelle eine unfallunabhängige Erkrankung dar. Die nun angegebenen Konzentrationsstörungen seien nicht auf den Unfall vom 14.09.1999 zu beziehen, zumal derartige Störungen bei den vorausgegangenen nervenärztl...