Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Beschäftigungsverhältnis bei einem schweizerischem Arbeitgeber. ausländisches Insolvenzereignis. Vorliegen einer Inlandsbeschäftigung. Homeoffice und Wohnort im Inland. Berührungspunkte zur deutschen Rechtsordnung. Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland. Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses. richtlinienkonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen der Inlandsbeschäftigung für den Anspruch auf Insolvenzgeld bei einem ausländischem Insolvenzereignis gem § 165 Abs 1 S 3 SGB liegen auch dann nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer an seinem Wohnort in Deutschland an zwei Tagen in der Woche Homeoffice gestattet ist und Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland abgeführt werden, ansonsten aber der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers in der Schweiz liegt.
2. Ob der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses im Inland liegt, ist anhand der das Arbeitsverhältnis prägenden Umstände zu beurteilen. Hierzu gehören zB der tatsächliche Ort der Beschäftigung, der Inhalt des Arbeitsvertrages, die Vereinbarung deutschen oder ausländischen Arbeitsrechts, eine Gerichtsstandsvereinbarung und die Art und Weise der Entgeltzahlung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.06.2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld nach einer Beschäftigung bei einem Schweizer Unternehmen.
Der 1962 geborene Kläger war seit November 2018 als "Senior Scientist" bei der Fa. N.-AG mit Sitz in D./Schweiz (Kanton Zürich) beschäftigt. Sein Bruttolohn betrug 12.300 CHF. Der Anstellungsvertrag vom 25.10.2018 bestand mit der N.-AG und verwies auf einen Gesamtarbeitsvertrag der jeweiligen Schweizer Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Der Lohn wurde in Schweizer Franken ausgezahlt, Gerichtsstand war Andelfingen (Schweiz/Kanton Zürich). Der Kläger war an zwei Tagen in der Woche im Homeoffice tätig. Der Kläger wohnte auch während seiner Beschäftigung in der Schweiz in Deutschland (C.). Die Tätigkeit im Homeoffice verrichtete er an seinem deutschen Wohnort. Dem Kläger wurde eine "A1-Bescheinigung über die Anwendung der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit" ausgestellt, danach unterlag er während der Beschäftigung bei der N.-AG deutschen Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung. Er zahlte während der Beschäftigung Beiträge zur deutschen Sozialversicherung.
Am 30.06.2020 eröffnete das Konkursamt Aussersihl-Zürich über das Vermögen der N.-AG den Konkurs. Dies ist auch der Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit. Der Kläger kündigte sein Beschäftigungsverhältnis bereits mit Schreiben vom 26.05.2020 zum 30.09.2020. Er erhielt nur bis einschließlich Mai 2020 Arbeitsentgelt; für Juni 2020 sind Arbeitsentgeltansprüche offen. Der Kanton Zürich lehnte mit Bescheid vom 13.08.2020 einen Antrag des Klägers auf schweizerische Insolvenzentschädigung ab.
Der Kläger beantragte am 21.08.2020 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Er machte rückständiges Arbeitsentgelt für Juni 2020 iHv insgesamt 17.273,74 EUR geltend (Bruttolohn sowie anteiliges 13. Monatsgehalt für Juni 2020 sowie "Vergütung Arbeitszeitguthaben"). Mit Bescheid vom 15.12.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Ein ausländisches Insolvenzereignis löse einen Anspruch auf Insolvenzgeld nur aus, wenn es sich um ein inländisches Beschäftigungsverhältnis handele. Dies sei nach dem Anstellungsvertrag nicht der Fall, es handele bei dem Arbeitsverhältnis zur N. AG um eine Beschäftigung in der Schweiz. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.12.2020 Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe als Grenzgänger iSd VO (EG) 883/2004 während seiner Beschäftigung in der Schweiz Beiträge zur Sozialversicherung in Deutschland gezahlt. Beiträge zur Sozialversicherung in der Schweiz seien nicht gezahlt worden, weshalb ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung in der Schweiz nicht bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich nicht um ein deutsches Beschäftigungsverhältnis. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland könne zwar ein Indiz dafür sein, sei jedoch nicht in jedem Fall ausschlaggebend. Aufgrund der weiteren Umstände der Beschäftigung (Arbeitsort, Gerichtsstand, Währung des Arbeitsentgelts) sei das Beschäftigungsverhältnis als schweizerische Beschäftigung zu würdigen, die Ermöglichung von Homeoffice ändere daran nichts.
Hiergegen hat der Kläger am 27.01.2021 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, aufgrund der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Deutschland und der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Schweiz, die dort zu einer Ablehnung einer Insolvenzentschädigung geführt habe, müsse ihm in Deutschland ein Anspruch auf Insolvenzgeld zustehen. Es könne nicht sein, dass Arbeitnehmern in seiner Lage in keinem der beteiligten Lä...