Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von geleisteten Zuzahlungen nach SGB V (juris: SGB 5). Verfassungswidrigkeit der §§ 61 und 62 SGB V (juris: SGB 5)

 

Orientierungssatz

1. Zu den für die Berechnung der Belastungsgrenze maßgeblichen Bruttoeinnahmen gehören auch Einkünften aus einem Altersvorsorgevertrag bzw der betrieblichen Altersversorgung.

2. Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt sind nämlich neben regelmäßigem Arbeitsentgelt auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit, Kapitalerträge und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Renten, sonstige Geldleistungen aus der Sozialversicherung oder von der Bundesagentur für Arbeit und Sachbezüge.

3. Der Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der §§ 61 und 62 SGB V (juris: SGB 5) nicht überzeugt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.02.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von 77,64 EUR für im Jahre 2010 geleistete Zuzahlungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der im Jahr 1971 geborene Kläger war im Jahr 2010 bei der der BKK Gesundheit gesetzlich krankenversichert. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der BKK Gesundheit, die durch Fusion zum 01.01.2012 mit der DAK in der DAK Gesundheit aufging.

Der Kläger leidet an einer schwerwiegenden chronischen Krankheit und war im Jahr 2010 deshalb in ärztlicher Dauerbehandlung. Er hatte im Jahr 2010 Bruttoeinnahmen in Höhe von insgesamt 14.999,81 EUR. Diese setzten sich aus einer Erwerbsminderungsrente (monatlich 896,15 EUR, jährlich 10.753,80 EUR) sowie aus den Einkünften aus zwei Altersvorsorgeverträgen (insgesamt 4.246,01 EUR) zusammen. Der eingetragene Lebenspartner des Klägers, mit dem er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, ist als Bundesbeamter nach beamtenrechtlichen Grundsätzen beihilfeberechtigt (70%) sowie zusätzlich (30%) privat krankenversichert. Im Jahre 2010 erzielte er Bruttoeinkünfte (aus Versorgungsbezügen) von insgesamt 25.685,01 EUR; seine Eigenanteile im Rahmen der Beihilfe betrugen im Jahr 2010 253,50 EUR.

Im Jahr 2010 erbrachte der Kläger Zuzahlungen nach dem SGB V in Höhe von insgesamt 185,00 EUR (vier Praxisgebühren zu je 10,00 EUR und Zuzahlungen zu Arzneimitteln von insgesamt 145,00 EUR). Am 28.03.2011 beantragte er die Erstattung dieser Zuzahlungen. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 05.04.2011 ab. Im Jahre 2010 habe der Kläger die Belastungsgrenze von 360,86 EUR gemäß § 62 SGB V nicht erreicht, weil er Zuzahlungen nur in Höhe von 185,00 EUR geleistet habe. Die Beklagte errechnete die Belastungsgrenze wie folgt:

Bruttoeinnahmen des Klägers 14.999,81 EUR

Bruttoeinnahmen des Lebenspartners 25.685,01 EUR

= 40.684,82 EUR

abzüglich Angehörigen-Freibetrag - 4.599,00 EUR

= 36.085,82 EUR

Hiervon 1 % (Chroniker-)Belastungsgrenze 360,86 EUR

abzüglich Zuzahlungen des Klägers -185,00 EUR

Rest unterhalb Belastungsgrenze = 175,86 EUR

Mit seinem Widerspruch hiergegen vom 06.04.2011 rügte der Kläger, dass die nachgewiesenen Beihilfe-Eigenanteile seines Lebenspartners in Höhe von 253,50 EUR nicht berücksichtigt worden seien. Bei diesen handele es sich um berücksichtigungsfähige Zuzahlungen. Zum 01.01.2007 seien die Regelungen zur Beihilfefähigkeit von Medikamenten geändert und den Arzneimittelrichtlinien der Gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen worden; hierdurch habe sich die Rechtslage geändert. Die Nichtanerkennung geleisteter Eigenanteile eines Beihilfeempfängers stelle einen Gesetzesverstoß dar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach § 62 Abs. 1 SGB V würden zwar die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten und seines Lebenspartners jeweils zusammengerechnet und um 15 % der jährlichen Bezugsgröße (2010: 4.599 EUR) vermindert. Bei dem Betrag, um den im Jahr 2010 die beihilfefähigen Aufwendungen des Lebenspartners nach beihilferechtlichen Regelungen gemindert worden seien, handele es sich jedoch nicht um eine gesetzliche Zuzahlung nach § 61 SGB V, die nach § 62 SGB V hätte berücksichtigt werden können. Deshalb habe sie nur die geleisteten gesetzlichen Zuzahlungen nach § 61 SGB V in Höhe von 185 EUR berücksichtigt.

Dagegen hat der Kläger am 08.11.2011 Klage vor dem Sozialgericht (SG) erhoben. Er ist der Auffassung, entweder hätten sowohl die Einnahmen als auch die Eigenanteile seines Lebenspartners in die Berechnung einbezogen oder aber beides außer Acht gelassen werden müssen. Die Einbeziehung nur einer der beiden Werte verfälsche das Ergebnis und verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Kläger ist der Auffassung, beihilferechtliche Eigenbehalte nach § 49 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) seien Zuzahlungen im Sinne von § 62 SGB V. Das von der Beklagten herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.02...

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