Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Entstehung und Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Krankengeld setzt nach § 44 Abs. 1 SGG u. a. voraus, dass der Anspruchsteller Versicherter ist. Voraussetzung ist, dass eine abhängige Beschäftigung gegen ein Arbeitsentgelt verrichtet wird, das oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

2. Der in § 186 Abs. 1 SGB 5 geforderte Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis ist gleichbedeutend mit dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Er setzt nicht die Aufnahme der Arbeit an diesem Tag voraus.

3. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung liegt nicht vor, wenn die vereinbarte Tätigkeit auf einem Scheingeschäft beruht, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen, vgl. BSG, Urteil vom 04. Dezember 1997 - 12 RK 3/97.

4. Der Umfang des Krankengeldanspruchs beruht auf dem im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksamen Versicherungsverhältnis.

5. Das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet auch dann, wenn es fortbesteht und kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt oder zumindest geschuldet wird.

6. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus dem Beschäftigungsverhältnis ist erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit jeweils vor Ablauf eines Krankengeld-Bewilligungs-Abschnitts erneut festgestellt wird.

7. Eine unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann nur dann ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden, wenn die rechtzeitige Feststellung und Meldung durch Umstände verhindert worden ist, die nicht vom Versicherten zu verantworten sind.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.7.2011 wird auf die Berufung der Klägerin geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.8.2010 in der Fassung des Bescheides vom 3.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18.1.2011 verurteilt, der Klägerin Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit vom 10.8.2010 bis 31.8.2010 zu bewilligen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin ab dem 10.8.2010 Anspruch auf Krankengeld (Kg) hat.

Die 1952 geborene Klägerin war vom 1.9.1967 bis zum 30.6.2009 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bei der W Kinder- und Jugendklinik E. Ab dem 1.7.2009 war sie - zunächst bis 31.12.2010 - vom Arbeitgeber zur Betreuung ihrer pflegebedürftigen Mutter ohne Bezüge beurlaubt. Seit dem 25.6.2010 war sie als Rentenantragstellerin bei der Beklagten versichert.

Am 29.4.2010 suchte die Klägerin mit schwersten Kopfschmerzen den Hausarzt auf, am 19.5.2010 wegen einer unklaren Sehstörung den Neurologen Dr. Q. Dieser diagnostizierte nach einem CT am 31.5.2010 einen Knochentumor an der Schädelbasis (Chordom). Am 25.6.2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Am 1.7.2010 übersandte sie ihrem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeits-(AU-)-Bescheinigung für die Zeit vom 29.6.2010 bis 31.7.2010 und am 27.7.2010 eine weitere für die Zeit vom 27.7. bis 31.8.2010. Beide Bescheinigungen reichte sie jeweils binnen Wochenfrist auch bei der Beklagten ein. Die nächste ärztliche Feststellung von AU erfolgte am 13.9.2010 bis zum 31.10.2010.

Bereits am 9.7.2010 hatte die Klägerin ihrem Arbeitgeber mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für den Sonderurlaub entfallen seien, da sie nicht mehr zur Pflege der Mutter in der Lage sei. Zum 1.8.2010 wurde daraufhin der Sonderurlaub der Klägerin abgebrochen. Der Arbeitgeber meldete Frau M wieder als versicherungspflichtig beschäftigt an. Wegen Ihrer fortbestehenden AU nahm die Klägerin die Beschäftigung aber nicht auf. Ausweislich der Gehaltsmitteilung für August 2010 erhielt die Klägerin für die Zeit vom 1.8.2010 bis zum Auslaufen der Entgeltfortzahlung am 9.8.2010 ein Bruttogehalt von 253,34 EUR, von dem Sozialversicherungsbeiträge einbehalten wurden.

Den Antrag der Klägerin auf Zahlung von Kg lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20.8.2010). Die Beklagte half dem von der Klägerin gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch nicht ab (Bescheid vom 3.9.2010) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.1.2011). Maßgeblich für den Kg-Anspruch sei das Versicherungsverhältnis bei Feststellung der AU. Bei Beginn der AU habe keine Mitgliedschaft mit Kg-Anspruch bestanden. Die Klägerin habe in dieser Zeit kein eigenes Einkommen erzielt und sei (am 29.6.2010) als Rentenantragstellerin bzw. zuvor freiwillig versichert gewesen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Arbeitgeber vom 1.8 bis zum 9.8.2010 Entgeltfortzahlung geleistet habe.

Mit der am 15.02.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Auffassung vertreten, Ihr sei mit Ablauf des Lohnfortzahlungsanspruches ab 12.7.2010 Kg zu gewähren, weil...

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