Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. zweistufiges Verfahren. Anfechtung des Anerkennungsbescheides. Feststellungen für das Leistungsverfahren. erheblicher Arbeitsausfall. unabwendbares Ereignis. Unvermeidbarkeit. Eröffnung eines Restaurantbetriebes während Corona-Pandemie. Vorbereitungshandlungen vor zweitem Lockdown. Bewertung des Betriebsrisikos. Berufsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur zweistufigen Ausgestaltung des Bewilligungsverfahrens für Kurzarbeitergeld (Kug).
2. Ist lediglich der Anerkennungsbescheid auf der ersten Stufe des Kug-Bewilligungsverfahrens angefochten, kann eine Verurteilung zur Leistung nicht erfolgen. Möglich ist dann allein eine Verurteilung zur Feststellung eines erheblichen Arbeitsausfalls sowie der betrieblichen Voraussetzungen für Kug.
3. Zum Vorliegen eines "erheblichen Arbeitsausfalls" für die Mitarbeiter eines Restaurants (§ 95 S 1 Nr 1 SGB III) ab dem 2.11.2020 (Beginn des zweiten Lockdowns während der Covid-19-Pandemie; sog Wellenbrecher-Lockdown) bei Eröffnung des Restaurants am 25.10.2020.
4. Bei rechtlich bindenden Vorbereitung zur Eröffnung eines Restaurants im August 2020 (ua Einstellung von Mitarbeitern für die Zeit ab dem 25.10.2020) und Eröffnung des Restaurants am 25.10.2020 musste der Betreiber nicht mit einer vollständigen behördlichen Untersagung des Betriebs von Restaurants ab dem 2.11.2020 rechnen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.08.2022 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 05.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2021 zu ändern und das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls sowie der betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld für den Zeitraum von November 2020 bis März 2021 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger Kurzarbeitergeld (Kug) für die Monate November 2020 bis März 2021 für die vier Mitarbeiter seines Restaurants zusteht.
Der Kläger betreibt seit dem 25.10.2020 das Restaurant "E." an der O.-straße in V.. An diesem Ort existierte schon zuvor seit Jahren ein italienisches Restaurant, das der Kläger, nachdem es einige Monate geschlossen gewesen war, nach einer Renovierung unter neuem Namen weiterführen wollte.
Mit unter dem 15.08.2020 unterzeichneten Arbeitsverträgen stelle der Kläger seinen Sohn U. I. sowie Herrn Y. Z. jeweils als Servicekraft/Kellner ein, ferner Herrn P. R. als Pizzabäcker. Unter dem 18.08.2020 schloss er mit Herrn B. J. (Freund des Klägers; zum Namen des Restaurants "W. J." besteht kein Bezug, da dessen Namensgebung nach einer im deutschen Fernsehen bekannten Figur eines (...) in MF. gewählt wurde) einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Koch. Sämtliche Arbeitsverträge wiesen als Wohnort der Mitarbeiter dieselbe Anschrift aus wie das Restaurant. Es war jeweils ein Bruttolohn von 1.400,00 EUR bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden und - ausgehend von einer Sechs-Tage-Woche - 20 Urlaubstagen pro Jahr vereinbart. Die Arbeitsverhältnisse sollten am 25.10.2020 beginnen. Der Arbeitsvertrag von Herrn J. weist V., die übrigen drei Verträge G. (L./K., S.) als Ort des Vertragsschlusses aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeitsverträge Bezug genommen. Die Mitarbeiter Z., I. und R. sind für die Aufnahme der Tätigkeit aus K. zugezogen; Herr J. hielt sich bereits in Deutschland auf. Die Mitarbeiter und der Kläger wohnten später in einer zum Restaurantbetrieb gehörenden Wohnung.
Mit Pachtvertrag vom 30.09.2020 pachtete der Kläger das Restaurant sowie die zugehörige Betriebswohnung mit sechs Zimmern im gleichen Haus ab dem 01.10.2020 (bis zum 30.09.2025 sowie mit Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre). Bereits zuvor führte ein Sanitärbetrieb vom 18.08. bis 26.09.2020 sowie in den Kalenderwochen 35 bis 43 (= 24.08. bis 24.10.2020) für die E. Arbeiten zu Rechnungssummen von 8.939,54 EUR und 3.544,06 EUR aus (Rechnungen vom 08. bzw. 09.11.2020). Für den 08. bzw. 10.09.2020 legte der Kläger Nachweise für restaurantbezogene Anschaffungen vor (Kassenzettel T. und M.). Ende September/Anfang Oktober 2020 ließ er eine Hebeanlage reparieren (Lieferschein 30.09.2020/Rechnung 01.10.2020 Fa. N.). Anfang Oktober 2020 fielen für eine Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie ein Führungszeugnis und für das Gewerbezentralregister Kosten an (Quittungen Stadt V. 01.10.2020), Mitte Oktober 2020 für eine Gaststätten- sowie für Gewerbeangelegenheiten (Quittung Stadt V. vom 15.10.2020). Die Gewerbeanmeldung erfolgte am und zum 15.10.2020; am gleichen Tag wurde die vorläufige Betriebserlaubnis erteilt (endgültige Erlaubnis am 18.01.2021). Am 22.10.2020 fiel eine Rechnung für Neukunden eines Servicepartners für Branchen im Lebensmittelbereich an (Fa. Q.), am 24.10.2020 Rechnungen des H. so...