Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung. fehlende Rechtsgrundlage für die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.1.2005. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
In Folge der Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" in § 335 Abs 1 S 1 SGB 3 in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung besteht ab dem 1.1.2005 keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mehr. Die durch die Rechtsänderung entstandene planwidrige Regelungslücke ist keiner erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung zugänglich.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 07.07.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist im Berufungsverfahren nur noch die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 326,45 EUR und von Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von 39,93 EUR für die Zeit vom 01.05. - 30.09.2004, nachdem die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für diese Zeit rechtskräftig aufgehoben worden ist. Streitig ist allein, ob es seit dem 01.01.2005 noch eine Rechtsgrundlage für eine solche Forderung gibt.
Der im Jahr 1965 geborene Kläger ist Iraker und bezog zuletzt im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 17.11.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005, hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.05. - 30.09.2004 auf. Sie führte aus, der Kläger habe in der genannten Zeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden und habe somit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt. Es wurden 2.348,55 EUR an Arbeitslosenhilfe zurückgefordert. Darüberhinaus wurden Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 326,45 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 39,93 EUR zurückgefordert.
Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2005 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Er hat sich zunächst gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gewandt und ausführlichen Sachvortrag dazu gemacht, dass er der Beklagten seine Ausreise nach Jordanien wegen der plötzlichen schweren Erkrankung seines Vaters nicht rechtzeitig habe anzeigen können.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.07.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit die Aufhebung die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe betroffen war.
Es hat zudem bestätigt, dass die Beklagte berechtigt war, den überzahlten Betrag in Höhe von 2.348,55 EUR zurückzuverlangen. Weiterhin hat das Sozialgericht wörtlich ausgeführt:
"Nicht berechtigt ist die Beklagte allerdings, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vom Kläger in Höhe von insgesamt 366,38 EUR zu verlangen. Bei der vom Kläger erhobenen Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage. Grundsätzlich maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist damit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw. des Widerspruchsbescheides, wenn ein solcher ergangen ist (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 54 RdNr. 32a). Nach § 335 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung hat ein Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Durch das Hartz-IV-Gesetz vom 24.12.2003 wurde in Abs. 1 Satz 1 mit Wirkung ab 01.01.2005 das Wort "Arbeitslosenhilfe" gestrichen. Bis zum 31.12.2004 konnten auch bei der Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Arbeitslosenhilfe Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zurückgefordert werden.
Nach Abs. 5 des § 335 gilt nämlich Abs. 1 des 335 SGB III für die Pflegeversicherungsbeiträge entsprechend. In Folge der Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" besteht ab dem 01.01.2005 keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Zwar ist davon auszugehen, dass es sich insoweit um ein Versehen des Gesetzgebers handelt. Angesichts des klaren Wortlauts des § 335 SGB III besteht jedoch keine Rechtsgrundlage für den Erlass der belastenden Entscheidung: Forderung der Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen."
Das Sozialgericht hat die Berufung für die Beklagte nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 12.07.2006 zugestellten Ger...