Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamt-GdB im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Aus einem Einzel-GdB von 30 für ein Knieleiden, einem Teil-GdB von 20 für ein Lungenleiden und einem weiteren Einzel-GdB von 20 für eine Schlaf-Apnoe mit Maskenpflichtigkeit ist ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.

2. Mittlere 20-er GdB-Werte sind dann geeignet, das Gesamtmaß der Beeinträchtigung zu erhöhen, wenn sie unabhängig nebeneinander und neben der Hauptbeeinträchtigung stehen oder sich untereinander oder mit dem Hauptleiden verstärken bzw. besonders nachteilig aufeinander auswirken.

3. Überschneiden sich die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen im Alltag nicht, sondern summieren sie sich vielmehr, so rechtfertigt das Ausmaß von drei Behinderungen mit Teil-GdB-Werten von 30, 20 und 20 in der Gesamtschau einen Gesamt-GdB von 50.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.05.2008 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 05.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 und des Bescheides vom 07.07.2008 verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 ab November 2008 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zur Hälfte. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, welcher Grad der Behinderung (GdB) bei dem Kläger nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) festzustellen ist.

Mit Bescheid vom 14.07.2000 stellte das Versorgungsamt F bei dem 1945 geborenen Kläger wegen der Gesundheitsstörungen

1. Funktionsstörung der Kniegelenke durch Verschleiß, Meniskusoperation bds., operierter Kreuzbandriß links (GdB 20)

2. Bluthochdruck (GdB 10)

einen GdB von 20 fest.

Am 14.12.2004 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB. Das Versorgungsamt F holte einen Bericht der HNO-Klinik F vom 12.10.2004, der Internisten Dr. G vom 29.01.2005 und Dr. G1 vom 18.02.2005 sowie des Chirurgen Dr. T vom 16.03.2005 mit weiteren Fremdarztberichten ein. Nach Auswertung dieser Unterlagen lehnte es den Antrag auf Feststellung eines höheren GdB als 20 mit Bescheid vom 05.04.2004 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 11.04.2005 wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2005 zurück.

Mit der am 11.07.2005 beim Sozialgericht Duisburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 begehrt. Das SG hat die Akten des Rentenstreitverfahrens des Klägers (S 10 R 246/05) beigezogen und Befundberichte des Augenarztes Dr. F vom 13.11.2005 und des Internisten Dr. G1 vom 19.11.2005 eingeholt. Anschließend hat es den Neurologen und Psychiater Dr. S sowie den Chirurgen Dr. C um Erstellung eines Gutachtens gebeten. Die Sachverständigen haben in ihren Gutachten vom 11.05.2006 bzw. 22.05.2006 die Feststellung eines Gesamt-GdB von 20 im Wesentlichen wegen des Knieleidens des Klägers bestätigt. Des weiteren hat das SG Arztbriefe des M-hauses F vom 09.03.2006 und 14.07.2006 beigezogen und ein internistisches Gutachten des Dr. X vom 21.07.2007 eingeholt. Dieser hat die Schädigung der unteren Extremitäten des Klägers mit einem GdB von 30 und ein Lungenleiden mit einem GdB von 20 sowie den Gesamt-GdB mit 40 bewertet.

Mit Urteil vom 26.05.2008 hat das SG den Beklagten verurteilt, einen GdB von 40 festzustellen. Bei dem Kläger bestünden fortgeschrittene verschleißbedingte Veränderungen des linken Kniegelenks mit Bewegungseinschränkung sowie Instabilität nach Kreuzbandruptur mit wiederholten bewegungs-/belastungsabhängigen Reizerscheinungen, verschleißbedingten Kniegelenkveränderungen rechts, eine Senk-Spreizfußdeformität bds. mit Zehenfehlstellung rechts sowie eine Ödembildung in Folge venöser Abflussstörungen im Bereich beider Beine und diskrete sensible Restbeschwerden nach traumatischer Peronaeusparese rechts (Unfall 03/2004). Dieses Leiden sei nach den Nummern 26.18 und 26.9 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Anhaltspunkte) mit einem GdB von 30 zu bewerten. Des weiteren bestehe bei dem Kläger eine Gesundheitsschädigung von Brustkorb, tieferen Atemwegen und Lungen bei chronischer Atemwegsentzündung (chronisch obstruktive Atemwegserkrankung - COPD). Diese Erkrankung sei nach Nummer 26.8 der Anhaltspunkte mit einem GdB von 20 zu bemessen. Ein Herz-/Kreislaufleiden des Klägers bedinge ebenso wie eine Wirbelsäulenerkrankung je einen GdB von 10. In der Gesamtheit sei für die Leiden ein GdB von 40 anzusetzen, da die Lungeneinschränkung im Hinblick auf die Erkrankung der unteren Extremitäten zu einer Zunahme des Gesamtmaßes der Behinderungen um 10 auf 40 führe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21.06.2008 zugestellte Urteil am 03.07.2008 Berufung eingelegt und sein Begehren eines GdB von 50 weiter verfolgt.

Die Beklagte beantragt,

die Be...

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