Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen erstinstanzliche gerichtliche Festsetzung der Vergütung. Bestimmungen des JVEG. lex specialis. Zustandsgutachten. Honorargruppe M 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 4 Abs 1 S 1, 8 und 9 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) ist die Beschwerde des vom Sozialgericht bestellten Sachverständigen gegen die durch gerichtlichen Beschluss des Sozialgerichts festgesetzte Vergütung unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Alt 1 JVEG (Wert des Beschwerdegegenstands über 200 Euro) statthaft.

2. § 4 JVEG beinhaltet bezüglich der möglichen Rechtsbehelfe im Vergütungsfestsetzungsverfahren eigenständige Verfahrensregeln, welche als lex specialis die vergleichbaren Regelungen der einzelnen Prozessordnungen - hier des § 178 S 1 Sozialgerichtsgesetz - verdrängen (Abgrenzung von den Beschlüssen des LSG Mainz vom 29.1.2008 und 7.4.2008 - L 4 B 13/08 SB und L 2 B 47/08 SB) .

 

Orientierungssatz

Bei Zustandsgutachten ist regelmäßig Honorargruppe M 2 anzuwenden (vgl LSG Erfurt vom 3.11.2008 - L 6 SF 48/08 = MEDSACH 2009, 240).

 

Tenor

1. Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 1.7.2009 wird zurückgewiesen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe des Vergütungsanspruchs für ein von Prof. Dr. S (nachfolgend: der Beschwerdeführer) in Heidelberg auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG im wegen einer Erwerbsminderungsrente des Klägers geführten Rechtsstreit S 11 R 556/07 beim Sozialgericht Speyer (SG) einschließlich einer psychologischen Evaluation durch die Dipl. Psych. S vom 29.8.2008 erstattetes Gutachten vom 26.8.2008.

Mit Rechnung vom 11.9.2008 ist ein Betrag von 1.415,68 Euro unter Zugrundelegung der Honorargruppe M 3 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG geltend gemacht worden.

Der Kostenbeamte des SG hat mit Schreiben vom 11.12.2008 ausgehend von den Angaben des Sachverständigen, jedoch unter Zugrundelegung der Honorargruppe M 2, die Vergütung auf 1.014,05 Euro festgesetzt.

Auf die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.12.2008 geltend gemachten Einwände hat der Vorsitzende der 11. Kammer des SG mit Beschluss vom 1.7.2009 die Vergütung des Beschwerdeführers auf 1.014,05 Euro festgesetzt und ausgeführt, einschlägig sei hier Honorargruppe M 2 für so genannte “Zustandsgutachten„ mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, also beschreibende Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, wozu insbesondere - wie hier - Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität zählten. Besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers, welche die Anwendung der Honorargruppe M 3 hätten rechtfertigen können, hätten nicht bestanden.

Gegen diesen ihm am 3.7.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 10.7.2009 Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 7.7.2009 begründet.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 1.7.2009 zu ändern und die Vergütung für das Gutachten vom 26.8.2008 auf Euro 1.415,68 festzusetzen.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Sachverständigenvergütung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG durch Beschluss des SG vom 1.7.2009 ist statthaft, aber unbegründet.

Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 4 Abs. 3 JVEG. Nach dieser Bestimmung können gegen den Beschluss nach Abs. 1 der Berechtigte - hier der Beschwerdeführer - und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Der Beschwerdewert übersteigt hier 200 Euro. Geltend gemacht war ein Vergütungsbetrag von 1.415,68 Euro, festgesetzt wurde ein Betrag von 1.014,05 Euro.

Bezüglich der Beschwerdefrist enthält § 4 JVEG keine eigene Regelung, so dass insoweit auf die Bestimmung des § 173 SGG zurückzugreifen ist. Die darin genannte Monatsfrist hat der Beschwerdeführer eingehalten.

Somit ist die Beschwerde zulässig.

Der Senat folgt nicht der Auffassung (so Beschlüsse des LSG Rheinland-Pfalz vom 29.1. und 7.4.2008 - L 4 B 13/08 SB und L 2 B 47/08 SB - sowie die im genannten Beschluss vom 7.4.2008 zitierte weitere Rechtsprechung), dass die Beschwerde im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 8 JVEG durch das “abschließende Normgefüge„ der §§ 172 ff. SGG, insbesondere durch § 178 SGG, ausgeschlossen sei.

Zwar erfasst § 178 S. 1 SGG nach seinem Wortlaut auch die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, gegen dessen Entscheidungen binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden kann, das endgültig entscheidet.

Diese Bestimmung kommt jedoch vorliegend nicht zum Tragen, weil sie durch die die Entschädigung der gerichtlich bestellten Sachverständigen regelnden Bestimmungen des JVEG, das als vorrangiges lex speci...

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