Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG mit der Folge der Berufungszulassung hat eine Rechtssache nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in diesem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn eine für grundsätzliche gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist.

2. Wenn die Beantwortung der für grundsätzlich gehaltenen Frage nicht im Wege der Auslegung von Rechtsnormen erfolgen kann, sondern von tatsächlichen Gegebenheiten abhängt, die nicht durch Rechtsauslegung, sondern durch Sachverhaltsermittlung aufzuklären ist, liegt keine Rechtsfrage, sondern eine Unklarheit über tatsächliche Verhältnisse vor.

3. Schließlich wird aus einer Sachfrage keine (grundsätzliche) Rechtsfrage dadurch, daß nach dem Vorbringen eines Beteiligten noch in weiteren Fällen eine ähnliche Sachfrage zu beantworten ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für die Neuanschaffung einer Rückenlehne am Fahrersitz des PKW des Klägers.

Der Kläger bezieht vom Beklagten Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH. Im Jahr 1988 übernahm der Beklagte gegenüber dem Kläger die Kosten für die Anschaffung u.a. eines höhenverstellbaren Fahrersitzes für seinen PKW. Im Juli 1995 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Neuanschaffung der Rückenlehne dieses Sitzes in Höhe von 475,88 DM, nachdem dieser verschlissen war. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 07.08.1995 und Widerspruchsbescheid vom 16.02.1996 ab, da nur die Rückenlehne und nicht die Mechanik zur Höhenverstellbarkeit reparaturbedürftig sei, was als notwendige Instandsetzung getragen werden könne. Im hiergegen vor dem Sozialgericht Trier durchgeführten Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, sein PKW sei seit der Erstzulassung im Jahr 1988 erst 26.000 km gefahren worden. Trotz der sich daraus ergebenden minimalen Belastung sei die Rückenlehne in einem desolaten Zustand, weil er wegen der anerkannten Schädigungsfolgen jeweils beim Aus- und Einsteigen mit dem ihm gelieferten Hülsenapparat über die Lehne rutsche und diese damit stärker abnutze.

Mit Urteil vom 04.06.1997 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, die Kosten für die Neuanschaffung der Rückenlehne am Fahrersitz des Klägers zu übernehmen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, bei den vom Kläger geltend gemachten Kosten handele es sich um Instandsetzungskosten im Sinne des § 29 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 28 Abs. 2 Orthopädieverordnung (Orth VO). Die Rückenlehne und die Sitzfläche des höhenverstellbaren Sitzes bildeten eine derart funktionelle Einheit, daß die Nutzbarkeit vom Zustand beider Teile-abhänge. Zudem bestehe nicht nur ein Kausalzusammenhang zwischen der anerkannten Schädigungsfolge und der Notwendigkeit der Änderung im Sinne des § 28 Abs. 2 OrthVO, sondern auch zwischen der anerkannten Schädigungsfolge und der Notwendigkeit der Instandsetzungsmaßnahme. Dem Urteil hat das Sozialgericht eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach die Berufung zulässig sei.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 08.07.1997 zugestellt. Am 25.07.1997 hat der Beklagte gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beklagte trägt vor,

entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bildeten die Mechanik zur Höhenverstellbarkeit des Sitzes und die normale Rückenlehne keine funktionelle Einheit. Wegen der Vielzahl gleichartiger Fälle habe die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ausdrücklich zugelassen werden müssen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 04.06.1997 zuzulassen.

Der Kläger hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Bei der vom Kläger vor dem Sozialgericht erhobenen Klage auf Übernahme der Kosten für die Reparatur bzw. Neuanschaffung einer Rückenlehne für seinen PKW handelt es sich um eine Klage, die eine Sachleistung betrifft. Da nach dem vorliegenden Kostenvoranschlag die Reparatur weniger als 1.000 DM kostet und mehr auch nicht beantragt war, bedurfte die Berufung der Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Die gegen die Nichtzulassung der Berufung erhobene Beschwerde ist deshalb, da sie auch frist- und formgerecht eingelegt wurde, zulässig.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber nicht begründet, weil ein Berufungszulassungsgrund im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), noch weicht das Urteil des Sozialgericht von einer Entscheidung des LSG, des BSG oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab und beruht auf dieser Abweic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge