Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nachprüfung des Fortbestehens der Prozesskostenhilfeberechtigung im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. § 172 Abs 3 Nr 2 SGG schließt die Beschwerde gegen die Aufhebung von Prozesskostenhilfe nicht aus.
2. Die nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO geforderte Erklärung kann noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden. Dem steht der Ablauf der vierjährigen Sperrfrist des § 120 Abs 4 S 3 ZPO nach der Aufhebungsentscheidung und vor der Erklärungsabgabe nicht entgegen.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 08.10.2009 - S 10 AL 49/04 - aufgehoben.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss über die Aufhebung von Prozesskostenhilfe (PKH) ist zulässig und begründet.
Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) statt, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne liegt hier nicht vor. Insbesondere findet § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444), wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, keine Anwendung. Beschwerden gegen die Aufhebung von PKH werden vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der Bestimmung dahingehend, dass sich der Ausschluss der Beschwerde auch auf die Aufhebung der Bewilligung von PKH erstrecken soll, ist - im Anschluss an die Rechtsprechung des 5. Senats des LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 16.06.2008 - L5 B 163/08 AS; ebenso: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.2009 - L 11 R 898/09 PKH) auch zur Überzeugung des erkennenden Senats nicht gerechtfertigt. Dem stehen der eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Regelung und der gesetzgeberische Wille entgegen. Es liegt weder eine planwidrige Regelungslücke vor, noch sind gleichartige Sachverhalte gegeben. Die Ablehnung eines Antrags auf PKH ist mit der Aufhebung einer bereits bewilligten PKH, durch die dem Antragsteller eine Rechtsposition wieder entzogen wird, nicht vergleichbar. Der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 820/07, S. 29, zu Nr. 29 Buchst. b) ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde auf die Aufhebung von PKH erstrecken wollte.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die PKH maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Nach § 73a Abs.1 SGG i.V.m. §124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der PKH aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat.
Zunächst war das Sozialgericht Speyer (SG) im Zeitpunkt seiner Entscheidung am 08.10.2009 gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO grundsätzlich berechtigt, den Beschluss über die Bewilligung von PKH vom 12.10.2005 aufzuheben, weil die Klägerin, trotz Fristsetzung, die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO geforderte Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hatte. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Beschwerdeschrift vorgetragen, die Klägerin habe die angeforderte Erklärung, auf die erste Erinnerung des SG, dorthin übersandt. Bei Gericht konnte indes kein entsprechender Eingang verzeichnet werden.
Allerdings hat die Klägerin die Vorlage der Erklärung im Beschwerdeverfahren nachgeholt. Dies ist zulässig und ausreichend. Der Gesetzgeber hat es, anders als beispielsweise im § 117 Abs. 1, 2 und 4 ZPO, unterlassen, die in § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO normierte Erklärungsfrist näher auszugestalten. Darüber hinaus ist in § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist für die Abgabe der gebotenen Erklärung nicht normiert. Aus diesem Grunde reicht es aus, wenn die bedürftige Partei die erforderliche Erklärung auch noch im Beschwerdeverfahren abgibt (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.05.2008 - L 1 B 156/08 AL und Beschluss vom 16.06.2008 - L 5 B 163/08 AS).
An der Nachholung war die Klägerin auch nicht durch den zwischenzeitlichen Ablauf der vierjährigen Sperrfrist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO gehindert. Denn der Sanktionscharakter des § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO beschränkt sich auf die...