Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Leistungsgruppenzuordnung. Beratungsfehler. Nichtvornahme des Lohnsteuerklassenwechsels von Ehegatten. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Ob die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre Beratungs- und Hinweispflichten verletzt hat (hier fehlerhafte Beratung), kann offen bleiben, wenn sie entgegen § 137 SGB 3 von einer Lohnsteuerklasse ausgehen müsste, die nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist bzw war. Die auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerklasse hat für die Berechnung des Arbeitslosengeldes Tatbestandswirkung und kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht ersetzt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.2005; Aktenzeichen B 11a/11 AL 45/04 R)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 22.8.2001 bis zum 31.12.2001 höheres Arbeitslosengeld (Alg) nach der Leistungsgruppe C zusteht.

Der 1962 geborene, verheiratete Kläger meldete sich mit Wirkung zum 22.8.2001 bei der Arbeitsamtsdienststelle Neustadt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Leistungen. Bis zu seiner arbeitsunfähigen Erkrankung am 21.2.2000 war der Kläger seit 1991 bei der Firma K-P K GmbH in D S als Dreher beschäftigt. Vom 30.2.2000 bis zum 21.8.2001 bezog er Krankengeld von der G Ersatzkasse ... nach einem ungekürzten kalendertäglichen Regelentgelt von 193,76 DM bzw. 171,34 DM. Im Jahr 2001 hatte der Kläger auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse 5 und seine Ehefrau die Lohnsteuerklasse 3 eingetragen. Antragsgemäß bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30.8.2001 Alg ab dem 22.8.2001 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1350,00 DM, dem erhöhte Leistungssatz und der Leistungsgruppe D i.H.v. 358,40 DM wöchentlich. Gegen die Leistungshöhe wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch; diesen lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.9.2001 als unbegründet zurück.

Mit Wirkung zum 1.1.2002 änderten die Eheleute ihre Lohnsteuerklassen; seit diesem Zeitpunkt führt der Kläger auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse 3.

Am 26.6.2002 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, Ihm auch bis zum 31.12.2001 Alg nach der Lohnsteuerklasse 3 zu gewähren, weil er von ihr anlässlich eines Beratungsgespräches unrichtig informiert worden sei.

Das Sozialgericht hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen und mit Urteil vom 14.4.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Alg nach der Leistungsgruppe C im streitigen Zeitraum. Die Beklagte habe dem Kläger rechtsfehlerfrei Leistungen nach den gesetzlichen Vorschriften gewährt. Zu Recht habe sie der Leistungsbemessung die Lohnsteuerklasse 5 zugrunde gelegt. Diese Lohnsteuerklasse sei im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung des Klägers auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen. Auch aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne der Kläger die gewünschte Rechtsfolge nicht herleiten. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte ihre Beratungs- und Hinweispflicht verletzt habe. Der dem Kläger hierdurch möglicherweise eingetretene Nachteil lasse sich nicht mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung ausgleichen. Die für das Jahr 2001 maßgebliche Lohnsteuerklasse lasse sich nicht nachträglich mit Wirkung für die Zeit ab dem 22.8.2001 rückgängig machen.

Gegen das ihm am 19.5.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.6.2003 Berufung eingelegt.

Er trägt im Wesentlichen vor:

Die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig; die Beklagte sei verpflichtet, ihm für den streitigen Zeitraum Alg nach der Leistungsgruppe C zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen. Schließlich sei er von der Beklagten anlässlich des im Beisein seiner Ehefrau geführten Beratungsgespräches offensichtlich fehlerhaft informiert worden. Die zuständige Sachbearbeiterin habe ihm seinerzeit mitgeteilt, die Lohnsteuerklasse wirke sich bei ihm nicht aus, da er seinen Leistungsanspruch aus dem vorherigen Krankengeldbezug ableite. Hätte man ihn zutreffend informiert, hätte er sofort einen Lohnsteuerklassenwechsel für 2001 vorgenommen. Seine Ehefrau habe seinerzeit lediglich 1350,00 DM brutto verdient. Sie hätten während des Krankengeldbezugs die Lohnsteuerklassen geändert, damit von diesem geringen Verdienst noch etwas übrig bleibe. Vor seiner arbeitsunfähigen Erkrankung sei er der Ernährer der Familie gewesen und habe immer die Lohnsteuerklasse 3 geführt. Die Beklagte dürfe sich angesichts dieses Sachverhalts nicht auf reine Formalitäten zurückziehen, sondern müsse ihm höheres Alg gewähren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.4.2003 - S 5 AL 605/01 - und den Bescheid der Beklagten vom 30.8.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 22.8.2001 bis zum 31.12.2001 Arbeitslosengeld n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge