Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Streitwert des Klageverfahrens. höherer Gegenstandswert im Vorverfahren. abweichende Festsetzung. Kostenfestsetzungsbeschluss. materielle Rechtskraft. Anwendung der Grundsätze des BSG-Urteils vom 19.10.2016. B 14 AS 50/15 R auf kostenpflichtige Verfahren. Widerspruchsbescheid über mehrere Widersprüche. getrennte Gebührenberechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren höher als der Streitwert des Gerichtsverfahrens, kommt insofern eine abweiche Festsetzung nach § 33 RVG in Betracht.
2. Zur materiellen Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nach § 197 SGG.
Orientierungssatz
1. Die Grundsätze des Urteils des BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 50/15 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 25 gelten auch für Gerichtsverfahren, bei denen sich die Kostenentscheidung nach § 197a SGG richtet, da ein Grund für eine abweichende rechtliche Beurteilung im Verhältnis zu iS des § 183 SGG kostenfreien Verfahren nicht ersichtlich ist.
2. Werden Verfahren, die mehrere Widersprüche betreffen, nicht verbunden, sondern wird lediglich in einem Bescheid gemeinsam über alle Widersprüche entschieden, ist ein Rechtsanwalt zur getrennten Berechnung der Gebühren für alle Einzelverfahren berechtigt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 23.1.2018 aufgehoben. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für die dem Rechtsstreit S 16 KA 216/13 vorangegangenen Widerspruchsverfahren wird in folgender Höhe festgesetzt:
a) Widerspruch gegen den Prüfbescheid vom 28.2.2011 betreffend die Quartale I/2008 bis IV/2008: 5.794,81 €;
b) Widerspruch gegen den Prüfbescheid vom 12.3.2012 betreffend die Quartale I/2009 bis IV/2009: 17.493,36 €;
c) Widerspruch gegen den Prüfbescheid vom 18.3.2013 betreffend die Quartale I/2010 bis IV/2011: 45.533,84 €;
d) Widerspruch gegen den Prüfbescheid vom 21.1.2013 betreffend das Quartal III/2012: 5.011,98 €;
e) Widerspruch gegen den Prüfbescheid vom 22.4.2013 betreffend das Quartal IV/2012: 4.269,39 €.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im Hauptsacheverfahren S 16 KA 216/13 (Sozialgericht - SG - Mainz) bzw L 5 KA 15/15 (Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz) haben die damaligen Prozessbeteiligten über die Rechtmäßigkeit eines Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheides des zuständigen Beschwerdeausschusses (im Folgenden: Beklagter) gestritten; die Antragstellerin war Prozessbevollmächtigte des damaligen Klägers (im Folgenden: Kläger). Vorausgegangen waren fünf Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheide des zuständigen Prüfungsausschusses, gegen die der Kläger Widerspruch eingelegt hatte; gegen einen Teil der Bescheide hatte auch die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz Widerspruch eingelegt. Der Beklagte hatte durch Bescheid vom 11.7.2013 den Widersprüchen des Klägers teilweise stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Das SG wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren schlossen die damaligen Prozessbeteiligten vor dem Senat am 6.10.2016 einen Vergleich, in dem sie sich ua darauf einigten, dass der Kläger und der Beklagte die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte tragen. Der Senat setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 6.10.2016 auf 48.625,04 € fest. Durch Beschluss vom 11.1.2017 entschied das SG ebenfalls: “Der Streitwert wird auf 48.625,04 € festgesetzt.„; eine Begründung enthielt dieser Beschluss nicht.
Durch Beschluss vom 24.4.2017 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 3.044,80 € fest. Auf die Erinnerungen der Beteiligten setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG durch Teilabhilfebeschluss vom 13.9.2017 die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 4.549,78 € fest. Er ging entsprechend den Beschlüssen vom 6.10.2016 und 11.1.2017 von einem Streitwert für die Kosten des Gerichtsverfahrens einschließlich des Vorverfahrens von 48.625,04 € aus. Der Kläger hielt seine Erinnerung aufrecht, soweit ihr nicht abgeholfen worden war. Er vertrat die Auffassung, der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung für das Widerspruchs- und Gerichtsverfahren gelte für ein vorangegangenes Widerspruchsverfahren nur, soweit der Verfahrensgegenstand identisch sei; dies sei vorliegend nicht der Fall, weil der Beklagte seinen Widersprüchen teilweise stattgegeben habe. Durch Beschluss vom 18.12.2017 setzte das SG die Höhe der vom Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten unter Abänderung des Beschlusses vom 13.9.2017 auf 4.561,78 € fest und wies die Erinnerung des Klägers im Übrigen zurück. Das SG führte aus, für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren einschließlich des Widerspruchsverfahrens sei nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG -19.10.2016 - B 14 AS 50/15 R) von dem vom SG durch Beschluss vom 11.1.2017 f...