Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Sprechstundenbedarfsregress auf der Basis einer statistischen Vergleichsprüfung. Anfechtungsklage. aufschiebende Wirkung. Nichtanwendung der Übergangsregelung des Art 3 § 2 S 4 ABAG
Orientierungssatz
1. Bei einem Sprechstundenbedarfsregress, der auf der Basis einer statistischen Vergleichsprüfung verhängt wird, entfaltet die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung.
2. Sprechstundenbedarfsregresse unterfallen nicht der Übergangsregelung des Art 3 § 2 S 4 des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes (juris: ABAG).
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 25.05.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.202,98 € festgesetzt.
Gründe
I.
Umstritten ist, ob die Klage der Antragstellerin gegen einen Regress von Sprechstundenbedarfsverordnungen für die Quartale I/2002 bis III/2003 aufschiebende Wirkung hat.
Der zu 1. beigeladene Beschwerdeausschuss setzte mit Bescheid vom 04.10.2010 aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten für die Quartale I/2002 bis III/2003 gegenüber der Antragstellerin, einer augenärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Leistungsschwerpunkt bei der Durchführung von Katarakt-Operationen, in Bezug auf die Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) einen Regress in Höhe von insgesamt 90.608,95 € fest. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 04.11.2010 Klage zum Sozialgericht Mainz (S 2 KA 85/11) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Mit Schreiben vom 18.03.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Verweis auf die Übergangsregelung des Art. 3 § 2 Satz 4 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (ABAG) mit, die Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Sie, die Antragsgegnerin, werde das Honorarkonto der Antragstellerin mit dem Forderungsbetrag belasten.
Am 18.04.2011 hat die Antragstellerin daraufhin beim Sozialgericht (SG) Mainz beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den zu 1. beigeladenen Beschwerdeausschuss festzustellen. Die Übergangsregelung des Art. 3 § 2 Satz 4 ABAG finde nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung auf den Regress von SSB keine Anwendung. Die Antragsgegnerin hat eingewandt, beim SSB handele es sich überwiegend um Arznei- und Verbandmittel. Der Begriff "Sprechstundenbedarf" sei auch nicht im Gesetz geregelt, sondern finde Erwähnung in § 44 Abs. 5 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und werde in den SSB-Vereinbarungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen geregelt. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in Art. 3 § 2 ABAG mit der Überschrift "Übergangsregelung für die Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 […]" den SSB explizit aus dem Anwendungsbereich der Regelung herausgenommen hätte.
Durch Beschluss vom 25.05.2011 hat das SG festgestellt, dass der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Beigeladenen zu 1. vom 04.10.2011 betreffend die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Antragstellerin im Bezug auf die Verordnung von SSB in den Quartalen I/2002 bis IV/2002 und I/2003 bis III/2003 aufschiebende Wirkung zukommt. Zur Begründung hat es auf den eingeschränkten Anwendungsbereich der Übergangsregelung nach Art. 3 § 2 Satz 4 ABAG verwiesen.
Gegen den Beschluss hat die Antragsgegnerin am 31.05.2011 Beschwerde eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, beim SSB handele es sich im rechtlichen Sinne im Vergleich zu Arznei- und Verbandmittelverordnungen nicht um ein "aliud". Inhalt seien Arznei- und Verbandmittel, die typischerweise in größeren Mengen bei der Behandlung von Versicherten in der Praxis zum Einsatz kommen. Eine Verordnung auf Einzelrezept wäre rechtlich durchaus möglich, jedoch unpraktikabel und wenig kosteneffizient. Da der SSB auch kein eigener Verordnungsgegenstand im Sinne der §§ 31 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei, sei nicht erkennbar, wieso Art. 3 § 2 ABAG hier ausgeschlossen sein sollte. Im SSB enthaltene Hilfsmittel würden zudem von den Krankenkassen oder durch die Prüforgane schon vorab aus dem prüfungsrelevanten SSB-Volumen eliminiert. Art. 3 § 2 Sätze 2 und 4 ABAG müssten daher auch auf die Prüfung von Sprechstundenbedarfsverordnungen für die Verordnungszeiträume 2002 und 2003 Anwendung finden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 25.05.2011 aufzuheben und den Antrag vom 18.04.2011 zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1. hat ausgeführt, aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung habe er einen Regress von SSB ausgesprochen. Die Belastung des Honorarkontos mit den sich aus dieser Entscheidung ergebenden Beträgen, sowie die Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt die Verrechnung erfolge,...