Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungsbefugnis des Sozialhilfeträgers. Verstoß gegen Art 1 § 1 Abs 1 S 1 RBerG
Leitsatz (amtlich)
Der Sozialhilfeträger ist nicht befugt, den Sozialhilfeempfänger im Verfahren auf Feststellung der Versicherungsberechtigung vor dem Sozialgericht als Prozessbevollmächtigter zu vertreten. Eine solche Rechtsbesorgung erfolgt geschäftsmäßig und verstößt gegen Art 1 § 1 Abs 1 S 1 RBerG.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden ist.
Die 1967 geborene Klägerin bezog von 1994 bis zum Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe am 31.7.2000 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und war bei der Beklagten krankenversichert. Ab 2.10.2000 bezog sie von der Stadt ... als zuständigem Sozialhilfeträger Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Beklagte lehnte die freiwillige Weiterversicherung der Klägerin ab, da ein entsprechender Antrag verfristet gestellt worden sei. Auf die Klage hob das Sozialgericht ... mit Urteil vom 10.10.2001 die Entscheidung der Beklagten auf und stellte die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten fest. Wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren erteilte die Klägerin im Berufungsverfahren Prozessvollmacht der Stadt ..., hilfsweise den im Tenor genannten Mitarbeitern der Stadt ... persönlich. Nachdem bereits die Beklagte das Auftreten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verfahren vor dem Sozialgericht (erfolglos) gerügt hatte, wurde die Klägerin auch durch den Senat darauf hingewiesen, dass das Auftreten der Stadt ... vor dem Senat als Prozessbevollmächtigte im vorliegenden Fall unzulässig sein könnte. Die Klägerin hat daraufhin mitgeteilt, sie sei als erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger nach § 91a BSHG befugt, die Feststellung einer Sozialleistung zu betreiben. Auch besorge sie nicht geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten, da es sich in der Sache um einen absoluten Ausnahmefall handle.
II. Weder die Stadt ... noch ihre namentlich genannten Mitarbeiter sind befugt, die Klägerin vor dem Senat zu vertreten. Nach § 73 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können sich Beteiligte in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt nicht, wenn die Rechtsbesorgung gegen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetz (RberG) verstößt. Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ob der Bevollmächtigte durch sein Handeln für einen Prozessbeteiligten gegen das RberG verstößt, weil zwar Bevollmächtigter grundsätzlich jede prozessfähige Privatperson sein kann, deren Tätigkeit aber ohne Erlaubnis sei es in oder außerhalb der mündlichen Verhandlung, nicht geschäftsmäßig sein darf (vgl LSG Rheinland-Pfalz 7.12.1984 -- L 6 Sb 122/84, Breith. 1984, 357 mwN). Erfolgt die Rechtsbesorgung ohne Erlaubnis geschäftsmäßig, so hat es den Bevollmächtigten durch Beschluss zurückzuweisen. Nach Art 1 § 1 Abs 1 RberG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung geschäftsmäßig nur von Personen ausgeübt werden, denen dazu die Erlaubnis erteilt ist.
Nach Art 1 § 3 Nr 1 RberG wird die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt wird, durch das RberG nicht berührt. Um eine solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht. Zwar kann der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger nach § 91a BSHG die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Hier geht es schon nicht um eine Sozialleistung, sondern um die freiwillige Weiterversicherung. Die freiwillige Versicherung ist keine Sozialleistung, sondern hängt von der Versicherungsberechtigung und einer statusbegründenden Erklärung der Klägerin ab. Hierdurch entsteht ein Versicherungsverhältnis, durch das unter weiteren Voraussetzungen Leistungsansprüche der Klägerin erst entstehen können. Auch aus § 8 Abs 2 BSHG folgt nicht die Befugnis des Sozialhilfeträgers zur Vertretung von Leistungsempfängern vor Gericht. Nach der genannten Vorschrift gehören zur Sozialhilfe auch die Beratung in Fragen der Sozialhilfe sowie die Beratung in sonstigen sozialen Angelegenheiten, soweit letztere nicht von anderen Stellen wahrzunehmen ist. Bei der Vertretung vor Gericht handelt es sich schon um keine Beratung sondern um die Besorgung von Rechtsangelegenheiten (vgl LSG Niedersachsen 3.2.67 -- L 4 S (KR) 57/65, Breith. 1967, 533; 17.2.1963 -- L 7 S(Ar) 25/62, Breith. 1963, 646; Rennen/Caliebe, RberG, 3. Auflage, Art 1 § 3 Rz 13).
Die Übernahme der Prozessvertretung durch die Stadt ... als Sozialhilfeträger ist daher nicht durch Art 1 § 3 Nr 1 RBerG gedeckt.
Die Rechtsbesorgung erfolgt auch ohne Erlaubnis geschäftsmäßig. Hierfür reicht der auf die ständige Ausübung gerichtete Wille, der schon einer nur einmaligen Betätigung jedenfalls dann entnommen werden kann, wenn aus besonderen Umständen erkennbar ist, dass der Handelnde den Willen hat, eine derartige Tätigkeit zu wiederholen (LSG Nieders...