Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Sicherungsanordnung. Anordnungsanspruch. Erfolgsaussicht in der Hauptsache nach höchstrichterlicher Rechtsprechung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Anwendbarkeit auch bei Fehlen eines materiellen Aufenthaltsrechts. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. Ermessensreduzierung auf Null bei mehr als sechsmonatigem Aufenthalt. Übertragbarkeit auf Drittstaatsangehörige. US-Staatsangehöriger. Arbeitnehmer. Bevorstehende Eheschließung. Existenzminimum
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann es beim Vorliegen zusprechender höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht darauf ankommen, wie das entscheidende Gericht selbst die Rechtslage einschätzt. Entscheidend ist allein, ob ein schützenswertes Recht des Antragstellers in Gefahr ist, wenn das Gericht keine vorläufige Anordnung trifft. Handelt es sich um existenzsichernde Leistungen und spricht vieles dafür, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren (ggf aufgrund einer wegen Divergenz zuzulassenden Revision) letztendlich obsiegen könnte, ist seinem Antrag stattzugeben.
Orientierungssatz
Der Senat hat keine Bedenken, die Rechtsprechung des BSG zur Annahme eines gefestigten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Ablauf von sechs Monaten und der hieraus folgenden Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12 betreffend Angehörige von EU-Mitgliedstaaten auch auf Drittstaatsangehörige zu übertragen.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 22 Abs. 8 S. 2; SGB XII § 23 Abs. 1 S. 3; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 S. 3, §§ 18, 25 Abs. 4 S. 1; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 30.03.2016 wird zurückgewiesen.
2. Auf die Beschwerde des Antragstellers zu 2. wird der Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 2. ab dem 01.03.2016 bis zum 31.08.2016, längstens jedoch bis zur Rechtskraft der Hauptsache, Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1. wird zurückgewiesen.
4. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1. Der Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 2. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin zu 1. Anspruch auf Gewährung eines Darlehens für Mietschulden hat. Ferner ist streitig, ob der Antragsteller zu 2. Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Antragsgegner, hilfsweise Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt durch den Beigeladenen hat. Hilfsweise macht die Antragstellerin zu 1. höhere Kosten für Unterkunft und Heizung geltend.
Die 1980 geborene Antragstellerin zu 1., die deutsche Staatsangehörige ist, und der 1990 geborene Antragsteller zu 2., der US-amerikanischer Staatsangehöriger ist, sind seit Mai 2013 ein Paar. Der Antragsteller zu 2. war zunächst bis zu seinem Ausscheiden am 01.09.2015 als Truppenangehöriger der US-Streitkräfte in R stationiert.
Die Antragstellerin zu 1. bewohnt eine Wohnung im K in M, für die sie seit 01.10.2015 eine Netto-Kaltmiete in Höhe von 320,65 Euro sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 83,00 Euro und eine Vorauszahlung für Wärmeversorgung in Höhe von 75,00 Euro (insgesamt 478,65 Euro) zu zahlen hat. Die Antragstellerin zu 1. bezog zunächst ergänzend zur Ausübung verschiedener Tätigkeiten als Reinigungskraft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom 11.08.2015 hob der Antragsgegner seine letzte Bewilligungsentscheidung vom 03.02.2015 ab dem 01.08.2015 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit ganz auf. Insofern war der Verdienst der Antragstellerin bedarfsdeckend geworden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Datum vom 10.09.2015 erstellte die Vermieterin der Antragsteller die Abrechnung der Heiz- und Betriebskosten für den Zeitraum ab 01.01.2014 bis zum 31.12.2014. Es errechnete sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 535,19 Euro, wovon 169,82 Euro auf die Betriebskosten und 365,37 Euro auf die Wärmeversorgung entfielen. Die Vermieterin teilte insofern mit, dass abweichend von den übrigen Monaten daher am 15.10.2015 ein Betrag in Höhe von 1.029,84 Euro (fällige Miete zuzüglich des Nachzahlungsbetrages) zu zahlen sei.
Am 14.09.2015 meldete sich auch der Antragsteller zu 2. unter der Anschrift der Antragstellerin zu 1. bei der Stadt M an. Am gleichen Tag beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In einer Erklärung...